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Die Wahlverwandtschaften

Die Wahlverwandtschaften

Titel: Die Wahlverwandtschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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besorgt, und dann machte sie einen Abschluß da, wo man mit Vergnügen wieder von vorn anfangen konnte.
    Dabei war sie ruhig und heiter; Ottilie schien es nur; denn in allem beobachtete sie nichts als Symptome, ob Eduard wohl bald erwartet werde oder nicht.
    Nichts interessierte sie an allem als diese Betrachtung.
    Willkommen war ihr daher eine Anstalt, zu der man die Bauerknaben versammelte und die darauf abzielte, den weitläufig gewordenen Park immer rein zu erhalten.
    Eduard hatte schon den Gedanken gehegt.
    Man ließ den Knaben eine Art von heiterer Montierung machen, die sie in den Abendstunden anzogen, nachdem sie sich durchaus gereinigt und gesäubert hatten.
    Die Garderobe war im Schloß; dem verständigsten, genausten Knaben vertraute man die Aufsicht an; der Architekt leitete das Ganze, und ehe man sichs versah, so hatten die Knaben alle ein gewisses Geschick. Man fand an ihnen eine bequeme Dressur, und sie verrichteten ihr Geschäft nicht ohne eine Art von Manöver.
    Gewiß, wenn sie mit ihren Scharreisen, gestielten Messerklingen, Rechen, kleinen Spaten und Hacken und wedelartigen Besen einherzogen, wenn andre mit Körben hinterdrein kamen, um Unkraut und Steine beiseitezuschaffen, andre das hohe, große, eiserne Walzenrad hinter sich herzogen, so gab es einen hübschen, erfreulichen Aufzug, in welchem der Architekt eine artige Folge von Stellungen und Tätigkeiten für den Fries eines Gartenhauses sich anmerkte; Ottilie hingegen sah darin nur eine Art von Parade, welche den rückkehrenden Hausherrn bald begrüßen sollte.
    Dies gab ihr Mut und Lust, ihn mit etwas Ähnlichem zu empfangen.
    Man hatte zeither die Mädchen des Dorfes im Nähen, Stricken, Spinnen und andern weiblichen Arbeiten zu ermuntern gesucht.
    Auch diese Tugenden hatten zugenommen seit jenen Anstalten zu Reinlichkeit und Schönheit des Dorfes.
    Ottilie wirkte stets mit ein, aber mehr zufällig, nach Gelegenheit und Neigung.
    Nun gedachte sie es vollständiger und folgerechter zu machen. Aber aus einer Anzahl Mädchen läßt sich kein Chor bilden wie aus einer Anzahl Knaben.
    Sie folgte ihrem guten Sinne, und ohne sichs ganz deutlich zu machen, suchte sie nichts, als einem jeden Mädchen Anhänglichkeit an sein Haus, seine Eltern und seine Geschwister einzuflößen.
    Das gelang ihr mit vielen.
    Nur über ein kleines, lebhaftes Mädchen wurde immer geklagt, daß sie ohne Geschick sei und im Hause nun ein für allemal nichts tun wolle.
    Ottilie konnte dem Mädchen nicht feind sein, denn ihr war es besonders freundlich.
    Zu ihr zog es sich, mit ihr ging und lief es, wenn sie es erlaubte.
    Da war es tätig, munter und unermüdet.
    Die Anhänglichkeit an eine schöne Herrin schien dem Kinde Bedürfnis zu sein.
    Anfänglich duldete Ottilie die Begleitung des Kindes; dann faßte sie selbst Neigung zu ihm; endlich trennten sie sich nicht mehr, und Nanny begleitete ihre Herrin überallhin.
    Diese nahm öfters den Weg nach dem Garten und freute sich über das schöne Gedeihen.
    Die Beeren- und Kirschenzeit ging zu Ende, deren Spätlinge jedoch Nanny sich besonders schmecken ließ.
    Bei dem übrigen Obste, das für den Herbst eine so reichliche Ernte versprach, gedachte der Gärtner beständig des Herrn und niemals, ohne ihn herbeizuwünschen.
    Ottilie hörte dem guten alten Manne so gern zu.
    Er verstand sein Handwerk vollkommen und hörte nicht auf, ihr von Eduard vorzusprechen.
    Als Ottilie sich freute, daß die Pfropfreiser dieses Frühjahrs alle so gar schön gekommen, erwiderte der Gärtner bedenklich: »ich wünsche nur, daß der gute Herr viel Freude daran erleben möge.
    Wäre er diesen Herbst hier, so würde er sehen, was für köstliche Sorten noch von seinem Herrn Vater her im alten Schloßgarten stehen.
    Die jetzigen Herren Obstgärtner sind nicht so zuverlässig, als sonst die Kartäuser waren.
    In den Katalogen findet man wohl lauter honette Namen.
    Man pfropft und erzieht und endlich, wenn sie Fürchte tragen, so ist es nicht der Mühe wert, daß solche Bäume im Garten stehen«.
    Am wiederholtesten aber fragte der treue Diener, fast so oft er Ottilien sah, nach der Rückkunft des Herrn und nach dem Termin derselben.
    Und wenn Ottilie ihn nicht angeben konnte, so ließ ihr der gute Mann nicht ohne stille Betrübnis merken, daß er glaube, sie vertraue ihm nicht, und peinlich war ihr das Gefühl der Unwissenheit, das ihr auf diese Weise recht aufgedrungen ward.
    Doch konnte sie sich von diesen Rabatten und Beeten nicht trennen.
    Was

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