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Die Wahlverwandtschaften

Die Wahlverwandtschaften

Titel: Die Wahlverwandtschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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gestern, Mylord, als wir mit der tragbaren dunklen Kammer durch den Park zogen, viel zu beschäftigt, sich einen wahrhaft malerischen Standpunkt auszuwählen, als daß Sie hätten bemerken sollen, was nebenher vorging.
    Sie lenkten vom Hauptwege ab, um zu einem wenig besuchten Platze am See zu gelangen, der Ihnen ein reizendes Gegenüber anbot.
    Ottilie, die uns begleitete, stand an zu folgen und bat, sich auf dem Kahne dorthin begeben zu dürfen.
    Ich setzte mich mit ihr ein und hatte meine Freude an der Gewandtheit der schönen Schifferin.
    Ich versicherte ihr, daß ich seit der Schweiz, wo auch die reizendsten Mädchen die Stelle des Fährmanns vertreten, nicht so angenehm sei über die Wellen geschaukelt worden, konnte mich aber nicht enthalten, sie zu fragen, warum sie eigentlich abgelehnt, jenen Seitenweg zu machen; denn wirklich war in ihrem Ausweichen eine Art von ängstlicher Verlegenheit.
    ›Wenn Sie mich nicht auslachen wollen‹, versetzte sie freundlich, ›so kann ich Ihnen darüber wohl einige Auskunft geben, obgleich selbst für mich dabei ein Geheimnis obwaltet.
    Ich habe jenen Nebenweg niemals betreten, ohne daß mich ein ganz eigener Schauer überfallen hätte, den ich sonst nirgends empfinde und den ich mir nicht zu erklären weiß.
    Ich vermeide daher lieber, mich einer solchen Empfindung auszusetzen, um so mehr, als sich gleich darauf ein Kopfweh an der linken Seite einstellt, woran ich sonst auch manchmal leide‹.
    Wir landeten, Ottilie unterhielt sich mit Ihnen, und ich untersuchte indes die Stelle, die sie mir aus der Ferne deutlich angegeben hatte.
    Aber wie groß war meine Verwunderung, als ich eine sehr deutliche Spur von Steinkohlen entdeckte, die mich überzeugt, man würde bei einigem Nachgraben vielleicht ein ergiebiges Lager in der Tiefe finden. Verzeihen Sie, Mylord, ich sehe Sie lächeln und weiß recht gut, daß Sie mir eine leidenschaftliche Aufmerksamkeit auf diese Dinge, an die Sie keinen Glauben haben, nur als weiser Mann und als Freund nachsehen; aber es ist mir unmöglich, von hier zu scheiden, ohne das schöne Kind auch die Pendelschwingungen versuchen zu lassen«.
    Es konnte niemals fehlen, wenn die Sache zur Sprache kam, daß der Lord nicht seine Gründe dagegen abermals wiederholte, welche der Begleiter bescheiden und geduldig aufnahm, aber doch zuletzt bei seiner Meinung, bei seinen Wünschen verharrte.
    Auch er gab wiederholt zu erkennen, daß man deswegen, weil solche Versuche nicht jedermann gelängen, die Sache nicht aufgeben, ja vielmehr nur desto ernsthafter und gründlicher untersuchen müßte, da sich gewiß noch manche Bezüge und Verwandtschaften unorganischer Wesen untereinander, organischer gegen sie und abermals untereinander offenbaren würden, die uns gegenwärtig verborgen seien.
    Er hatte seinen Apparat von goldnen Ringen, Markasiten und andern metallischen Substanzen, den er in einem schönen Kästchen immer bei sich führte, schon ausgebreitet und ließ nun Metalle, an Fäden schwebend, über liegende Metalle zum Versuche nieder.
    »Ich gönne Ihnen die Schadenfreude, Mylord«, sagte er dabei, »die ich auf Ihrem Gesichte lese, daß sich bei mir und für mich nichts bewegen will.
    Meine Operation ist aber auch nur ein Vorwand.
    Wenn die Damen zurückkehren, sollen sie neugierig werden, was wir Wunderliches hier beginnen«.
    Die Frauenzimmer kamen zurück.
    Charlotte verstand sogleich, was vorging.
    »Ich habe manches von diesen Dingen gehört«, sagte sie, »aber niemals eine Wirkung gesehen.
    Da Sie alles so hübsch bereit haben, lassen Sie mich versuchen, ob es mir nicht auch anschlägt«.
    Sie nahm den Faden in die Hand, und da es ihr Ernst war, hielt sie ihn stet und ohne Gemütsbewegung; allein auch nicht das mindeste Schwanken war zu bemerken.
    Darauf ward Ottilie veranlaßt.
    Sie hielt den Pendel noch ruhiger, unbefangener, unbewußter über die unterliegenden Metalle.
    Aber in dem Augenblicke ward das Schwebende wie in einem entschiedenen Wirbel fortgerissen und drehte sich, je nachdem man die Unterlage wechselte, bald nach der einen, bald nach der andern Seite, jetzt in Kreisen, jetzt in Ellipsen, oder nahm seinen Schwung in graden Linien, wie es der Begleiter nur erwarten konnte, ja über alle seine Erwartung.
    Der Lord selbst stutzte einigermaßen, aber der andere konnte vor Lust und Begierde gar nicht enden und bat immer um Wiederholung und Vermannigfaltigung der Versuche.
    Ottilie war gefällig genug, sich in sein Verlangen zu finden,

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