Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
datiert vom 3. März 2001. Das war nicht lange, nachdem Preben angefangen hatte, sich in den Familienbetrieb hineinzumanövrieren. Papa versichert, daß der jüngere Sohn natürlich alles bekommen wird, was ihm zusteht. Er sei ja so tüchtig gewesen, der Kleine, habe lange und hart geschuftet, und nichts werde etwas an den Beschlüssen ändern, die sie über die Zukunft der Reederei getroffen hätten. Unterzeichnet von Hermann, aber nicht mit Namen, sondern nur als ›dein Vater‹. Und wie du siehst, ganz unten …«
Hanne kam ihm zuvor.
»›Anwesend. Mutter.‹ Altmodische Formen, ich muß schon sagen.«
»Ja, ja. Aber wichtiger ist: Hermann hat lange behauptet, diesen Brief nie gesehen zu haben. Es sei eine Fälschung!«
»Eine Fälschung?«
»Ja. Irgendwann hat Hermann verlangt, den Brief von einem Graphologen untersuchen zu lassen. Aber da hat Tutta zugeschlagen.«
»Was?«
»Tutta. Turid. Die Mutter.«
»Ja, ich weiß, wer das ist, aber was meinst du damit, daß sie zugeschlagen hat?«
Erik fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare.
»Sie hat behauptet, er sei echt! Sie sagte, sie könne sich erinnern, daß Hermann den Brief geschrieben hat und daß sie bei der Unterzeichnung zugegen war. Deshalb wurde der Antrag auf ein graphologisches Gutachten zurückgezogen. Vielleicht lag es auch daran, daß ziemlich unklar war, welche Bedeutung dieser Brief überhaupt hat, er ist ja nur eine Art Beruhigungspille, aber Annmari sagt …«
»Wir müßten verdammt noch mal jemanden den ganzen Komplex durchgehen lassen«, fiel Hanne ihm ins Wort.
»Aber das machen wir doch gerade.«
»Wir, ja. Aber das hier müßte von einem Experten für Erbrecht, Familienrecht, Vertragsrecht untersucht werden. Ich weiß auch nicht, was nötig wäre, aber jedenfalls brauchen wir eine sorgfältige und unabhängige Einschätzung davon, wo die gegnerischen Seiten genau standen.«
»Wer voraussichtlich gewonnen hätte, meinst du?«
»Das auch.«
»Du hast sicher recht. Aber du weißt noch nicht alles! Vor einigen Wochen scheint irgendwer Hermann überredet zu haben. Und dann verlangte er doch eine Schriftprobe. Und das Ergebnis …«
Er tippte sich an die Brust und zog einen Zettel aus seiner Jackentasche.
»… habe ich heute bekommen. Nicht nur Hermanns Unterschrift ist gefälscht. Sondern auch Turids.«
Hanne runzelte immer heftiger die Stirn.
»Hat sie gelogen?«
»Offenbar. Sie hat das Dokument als echt bezeichnet, als von ihr und ihrem Mann eigenhändig unterschrieben. Aber dann erweist es sich als Fälschung. Da steckt Carl-Christian doch bis hier in der Scheiße!«
Er hielt eine Hand in Höhe seiner Schläfe.
»Wir wissen doch nicht, ob er es gefälscht hat«, sagte Hanne.
»Aber überleg mal«, sagte Erik und beugte sich zu ihr vor. »Wer sollte denn ein Interesse daran haben, so einen Brief zu fälschen? Kein anderer als CC . Und er war nur um Haaresbreite von der Entlarvung entfernt. Wenn du jetzt alles, was wir wissen, zusammennimmst, dann sieht es böse aus für den guten Carl-Christian, Hanne. Er hat ein Motiv, er hat …«
»Waffen!«, rief Silje aufgeregt, sie kam geradezu ins Büro gestürmt. »Er hat einen Waffenschein für Revolver.«
»Hier überstürzen sich ja die Ereignisse«, sagte Hanne und strich sich über den Nasenrücken. »Regt euch ab, alle beide. Setz dich, Silje.«
Hannes Mobiltelefon klingelte. Sie warf einen Blick aufs Display und beschloß, den Anruf zu ignorieren.
»Carl-Christian ist Mitglied in einem Pistolenclub«, sagte Silje atemlos. »Absolut nicht aktiv, offenbar hatte er vor vielen Jahren mal ein kindisches Faible dafür. Und hatte die Sache dann wieder satt. Aber er hat eine Waffe. Eine deutsche Magnum.«
»Nicht zufällig Kaliber .357?« fragte Erik mit unverhohlener Hoffnung in der Stimme.
»Doch.«
»Zum Henker!«
»Wir müssen den Typen einfach in U-Haft nehmen! Und sei es nur, um seine Wohnung durchsuchen zu können …«
»Hast du schon mit Annmari gesprochen oder …«
»Beim Polizeipräsidenten sitzen gerade drei Juristen und …«
»Oh verdammt, Silje! Das ist doch total …«
Erik und Silje redeten jetzt wild durcheinander. Hanne ließ sich in ihren Schreibtischsessel zurücksinken. Ihre Halswirbel knackten. Sie massierte sich selbst im Nacken. Sie staunte noch immer darüber, wie sehr die anderen sich in Rage reden konnten. Wie persönlich sie die Fälle nahmen, wie ihnen eine bestimmte Spur, die in diese oder jene Richtung wies, als
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