Die Wahrheit über Geld - Wie kommt unser Geld in die Welt und wie wird aus einem Kleinkredit ein großer Finanzcrash (German Edition)
„schütten“ sie in einen großen Pool. Jeder einzelne Kredit ist dabei mit einer relativ hohen Ausfallwahrscheinlichkeit behaftet, da diejenigen, die sich das Geld geliehen haben, wie gesagt nicht zu den kreditwürdigsten Leuten gehören. Von einer Ratingagentur bewertet, bekämen diese Kredite also relativ schlechte Noten. Vorteil dagegen: Diese Schuldner zahlen – wegen des höheren Risikos – vergleichsweise hohe Zinsen.
Nachdem das Becken nun mit Tausenden solcher Kredite gefüllt wurde, werden Anrechte am Pool weiterverkauft, und zwar in verschiedenen Schichten. Den Käufern der obersten Schicht wird gesagt: „Zahlungen, die von den Schuldnern aus dem Pool kommen, gehen zuerst an euch.“ Erst wenn die oberste Schicht vollständig befriedigt ist, kommt die nächste an die Reihe. Und so geht es schichtweise weiter – bis zu den Käufern der untersten Schicht, die ihr Geld als Letzte bekommen. Umgekehrt werden sie natürlich die Ersten sein, die von Zahlungsausfällen betroffen sind.
Die Ausfallwahrscheinlichkeit jeder einzelnen Schicht wird von Ratingagenturen nach komplizierten mathematischen Modellen berechnet. Am Ende steht aber – und das ist für den Käufer (sprich Anleger) entscheidend – eine Note für jede Schicht. Nach dieser Note treffen die Anleger ihre Entscheidungen, in welche Schicht sie investieren: in eine untere mit höherem Risiko, dafür auch höherer Verzinsung, oder in eine obere mit geringerem Risiko und entsprechend niedrigerem Zins.
Das Wunderbare dabei ist, dass der überwiegende Teil der Schichten (häufig 80 bis 90 Prozent des gesamten Pools) die Note „ausreichend“ und besser bekommt – die oberste Schicht sogar ein „sehr gut“, also eine 1. Und das, obwohl der Pool nur aus Krediten minderwertiger Qualität besteht, die, würde man sie einzeln bewerten, in den meisten Fällen nur eine 5 bekämen.
So machen Banker und Agenturen aus Wasser Wein und produzieren dabei sogar zahlreiche „edle Tropfen mit Prädikat“.
Aber es kommt noch besser: Was passiert, wenn man die untersten Schichten aus einem Pool gar nicht an Endkunden verkauft, sondern sie in ein weiteres Becken gießt? Wenn man dieses Becken dann mit den unteren Schichten anderer, ähnlicher Pools auffüllt? Genau: Aus all dieser minderwertigen Flüssigkeit entsteht natürlich nach demselben Prinzip wieder ein Gemisch, dessen Oberschicht von den Ratingagenturen Bestnoten erhält und deshalb von den Investmentbanken als „Prädikatserzeugnis“ verkauft werden kann. Das ist mehr, als Jesus vollbringen konnte. Denn damit wird aus Abwasser Champagner gemacht!
In den Verkauf gelangen solche Erzeugnisse, nachdem sie mit angelsächsischen Kürzeln versehen worden sind wie RMBS (Residential Mortgage Backed Securities) für den erstgenannten Beispiel-Pool oder CDO (Collateralized Debt Obligation) für einen Pool nach der zweiten Methode. Das Ganze geht so lange gut, wie sich die Ausfallraten solcher Kredite im normalen Rahmen der statistischen Wahrscheinlichkeiten bewegen. Wenn sich aber die Zahlungsschwierigkeiten solcher Leute ungewöhnlich häufen – so wie zuletzt in den USA nach dem Ende des Immobilienbooms –, dann kann das, was anfangs als feines Tröpfchen daherkam, schnell zur übel riechenden Brühe werden.
ANHANG 8
WIE SCHNELL DIE SPEICHER VOLLLAUFEN
Wir wollen nun exakt bestimmen, mit welcher Rate sich die Geldspeicher bei den Banken über die Jahrzehnte hinweg gefüllt haben und noch weiter füllen. Dabei greifen wir auf die Zinseszinsformel zurück, die uns schon in Anhang 5 geholfen hat, herauszufinden, wie viel aus einem Josefscent seit Christi Geburt geworden ist. Die Formel lautet:
K n = K 0 × (1 + p/100) n
Oder:
Endkapital K n = Anfangskapital K 0 mal (1 plus Zinssatz p durch hundert) hoch Zahl der Jahre n, die das Kapital angelegt wird.
Da wir jetzt aber nicht das Endkapital K n errechnen wollen, sondern die jährliche Wachstumsrate p (die dem Zinssatz aus dem JosefscentBeispiel entspricht), müssen wir die Gleichung ein wenig verändern. Zunächst bezeichnen wir mit K 0 nun den Anfangsstand der Kontoeinlagen (statt Anfangskapital) und mit K n den Endstand der Kontoeinlagen (statt Endkapital). Außerdem steht die Variable p jetzt für die prozentuale jährliche Wachstumsrate der Kontoeinlagen – also für genau die Größe, nach der wir suchen.
Wenden wir nun noch ein wenig Schulmathematik an, um die Gleichung nach p auflösen. Dazu bringen wir zuerst K 0 auf die linke Seite, indem
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