Die Wahrheit über Kim Novak und den Mord an Berra Albertsson
nichts dahinter?«, frage ich.
»Du hältst daran fest, dass du derjenige warst, der Bertil Albertsson erschlagen hat?«
Er nickt und trinkt einen Schluck Bier.
»Ich habe außerdem einen Brief von Ewas Schwester bekommen«, füge ich hinzu. »Sie behauptet, dass sie dich und Ewa einmal besucht hat, es muss in Göteborg gewesen sein. Sie schreibt, dass du etwas kränklich gewesen bist und die Schwestern allein am Küchentisch zurückgelassen hast. Kannst du dich daran erinnern?«
»Worum geht es hier eigentlich?«, fragt Erik. »Das klingt ja wie bei einem Verhör.«
Ich entschuldige mich und versichere ihm, dass ich einzig und allein Schriftsteller bin. Aber auf der Jagd nach einer Art von Wahrheit. Diese Aussage bringt ihn dazu, seinen Mund zu einem kurzen Lächeln zu verziehen. »Natürlich erinnere ich mich an Anja«, gibt er zu. »Ich habe mich zurückgezogen, das stimmt schon. Was behauptet sie denn in ihrem Brief?«
»So einiges«, antworte ich. »Unter anderem, dass Ewa ihr gewisse Dinge anvertraut haben soll. Über ein Gespräch mit Henry beispielsweise, in
dem er mit Entschiedenheit behauptet hat, dass sowohl sein Bruder als auch dessen guter Freund unschuldig an dem Mord sind.«
»Henry«, sagt Erik und schaut nachdenklich drein. »Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt oder ob er tot ist. Mein eigener Bruder … das sagt doch so einiges über ihn, oder? Und dieses Buch, das er geschrieben hat, das ist wirklich das Verzwickteste, was ich jemals gelesen habe. Nein, wenn du auf der Suche nach der Wahrheit bist, dann ist er bestimmt nicht die richtige Person, um sie zu finden.«
»Und du bist sein Bruder.« Ich weiß selbst nicht, was ich mit diesem Satz sagen will. »Ewa hat ihrer Schwester außerdem erzählt, dass du weißt, wer der Mörder ist«, füge ich hinzu.
»Aber natürlich«, bestätigt Erik. »Und es gibt doch genau genommen nur einen, der das mit Sicherheit wissen kann, oder?«
»Der Täter?«, frage ich. »Nun ja, man kann sich ja auch einen Augenzeugen denken. Auf jeden Fall ist es mittlerweile an der Zeit, dass ich den Lesern die Wahrheit sage, und das ist auch der Grund, warum ich hier sitze.«
Erik Wassman lehnt sich zurück und stopft seine knorrige Pfeife. Plötzlich sieht er ganz zufrieden aus, als genieße er das Wissen um sein kleines Geheimnis. Mir kommt eine Idee.
»Kennst du jemanden namens Eugen G. Brahms?«, frage ich.
Zu meiner großen Überraschung nickt er. »Das ist ein Pseudonym, nicht wahr?«, fragt er. Ich erwidere, dass ich davon ausgehe. Er nimmt einen Happen Fisch, die Gräten kommen in seinem rechten Mundwinkel heraus, eine wirklich interessante Technik. »Das ist Lindström«, sagt er. »Ja, er hat natürlich eigentlich einen anderen Namen, aber du hast ihn in deinem Buch Kommissar Lindström genannt.«
»Wie bitte?« Ich kann meine Überraschung nicht verbergen. »Meinst du, dass … dass Brahms der Kommissar ist, der in der Mordsache ermittelt hat? Der muss doch inzwischen hundert Jahre alt sein?«
»Neunundachtzig«, erklärt Erik, als hätte er diese Information soeben aus einem Archiv erhalten.
Mir fehlen die Worte. Plötzlich ist diese wichtige Grenze zwischen Dichtung und Wirklichkeit vollkommen ausradiert worden. Ich weiß nicht, ob ich mich in einer erdichteten Geschichte oder in der real existierenden Welt befinde. Adirondacks? Ich schaue mich in Eriks grobschlächtig eingerichtetem Wohnzimmer um, mit jeder Menge Jagdtrophäen an den Wänden, Bärenfellen auf dem Boden, den schnarchenden zotteligen Hunden und dem tanzenden Raster aus Licht und Schatten, das das Kaminfeuer über alles wirft. Ich habe das Gefühl, in einem schlechten Film festzusitzen – ob im Parkett oder auf der Leinwand, kann ich nicht sagen. Entschlossen trinke ich von meinem Bier und peile den entscheidenden Punkt an.
»Eigentlich interessiert es mich nicht, wie es sich mit Brahms und Lindström verhält«, erkläre ich. »Ich muss nur in einem Punkt Klarheit bekommen: Warst du derjenige, der Bertil Albertsson getötet hat?«
Erik Wassman zeigt wieder ein schiefes Lächeln. »Es ist inzwischen so viel Zeit vergangen, dass ich mich kaum noch daran erinnern kann.
Aber ich würde es doch wohl behaupten.«
»Du willst es wohl behaupten?«
»Ja.«
»Und Edmund hat die Mordwaffe gefunden und sie vergraben?«
»Ungefähr so war es, ja. Ich begreife nicht, warum du das immer wieder auf den Tisch bringst. Das ist jetzt fast fünfzig Jahre her. Hast du sonst noch etwas auf
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