Die Wall Street ist auch nur eine Straße
berühmten Wirtschaftsskandalen, auf die sie als Erste stießen, zählt beispielsweise der um das kriminelle Unternehmen Enron.
LEERVERKÄUFE sind nichts für Amateure. Sie erfordern ein wenig mehr Wissen; man muss seine Hausaufgaben sorgfältig machen. Hier sollten sich nur gut informierte Leute engagieren. Wenn Sie eine Aktie zu 10 Dollar kaufen, kann sie allenfalls auf null sinken. Aber wenn man eine Aktie zu 10 Dollar leer verkauft, sind die Verluste theoretisch unbegrenzt – sie können auf 20, 30, 40, 50, ja sogar auf 1000 Prozent steigen. Mit Leerverkäufen kann man sehr empfindliche und sehr schnelle Verluste erleiden, wenn man falschliegt.
Ich ging schon früh in meiner Karriere pleite, weil ich falschlag.
1970 war ich zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der Aktienmarkt zusammenbrechen würde. Ich nahm all mein Geld und kaufte Puts – Optionen, die mir das Recht gaben, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem bestimmten Kurs zu verkaufen. So konnte ich eventuelle Verluste in einer Weise begrenzen, wie es mit Leerverkäufen nicht möglich war. Für Optionen zahlt man eine Prämie, hat aber auch eine stärkere Hebelwirkung, wenn die Kurse sinken. Fünf Monate später kollabierte der Aktienmarkt. Unternehmen gaben auf, die schon seit Jahrzehnten existiert hatten. Es war der schlimmste Zusammenbruch seit 1937. Am Tag, als der Markt sein Tief erreichte, verkaufte ich meine Puts. Ich nahm sozusagen meine Gewinne mit und hatte meinen Einsatz verdreifacht.
Da saß ich also, ein rotznäsiger junger Mann, und ich glaubte zu wissen, was ich tat. Ich sagte mir: Jetzt werde ich abwarten, weil der Markt massiv steigen wird. Ich weiß nicht, ob ich wirklich weiser war, als es meinem Alter entsprach, aber der Markt legte tatsächlich stark zu, und nachdem ich zwei Monate abgewartet hatte, führte ich mit all dem Geld, das ich mit meinen Puts verdient hatte, Leerverkäufe durch. Ich wollte keine Prämien mehr bezahlen, sondern einfach leer verkaufen. Das tat ich dann auch mit den Aktien von sechs verschiedenen Unternehmen, weil ich mit einem weiteren Absturz rechnete. Zwei Monate später war ich pleite.
Weil die Aktien dieser Unternehmen weiter stiegen, war ich gezwungen, meine Short-Positionen glattzustellen, da ich auf meinem Brokerkonto nicht über genug Reserven verfügte, um durchzuhalten, bis die Kurse zu sinken begannen. Ich hatte nicht das Stehvermögen, das ein Leerverkäufer braucht. Mir fehlten die nötigen finanziellen Mittel, um sagen zu können: Gut, die anderen liegen falsch, ich habe recht. Ich musste meine Position drehen und verlor alles, was ich hatte. Ich war gezwungen, meine Positionen glattzustellen, ehe ich ins Minus rutschte. Eine Anmerkung zur Wall Street, falls Sie auf Kredit traden: Die Broker werden Ihre Position glattstellen, bevor sie ins Minus geraten. Sie sorgen immer dafür, dass sie keine Verluste erleiden.
Innerhalb der folgenden zwei, drei Jahre ging jedes einzelne dieser Unternehmen, deren Aktien ich leer verkauft hatte, bankrott, und ich war ein Genie. Was mich gerade an den geläufigen Spruch erinnert: »Wenn du so schlau bist, warum bist du dann nicht reich?«
Das war ein perfektes Beispiel dafür, zwar schlau, aber nicht reich zu sein. Ich war so schlau gewesen, dass ich pleiteging. Ich wusste nicht, wozu die Märkte in der Lage waren.
Ich lernte, dass es an der Wall Street keine Weisheit mit mehr Wahrheitsgehalt gibt als die, die irrtümlich John Maynard Keynes zugeschrieben wird: »Die Märkte können länger irrational bleiben, als du solvent bleiben kannst.«
Keynes war übrigens sowohl schlau als auch reich. Er war einer der besten Aktienspekulanten aller Zeiten. Er wusste, was er tat. Mit dem Stiftungskapital des King’s College in Cambridge und mit seinem eigenen Geld spekulierte er fast in Vollzeit, und er war sehr erfolgreich. Als er 1946 starb, betrug sein Vermögen mehr als eine halbe Million Pfund, was in heutiger Kaufkraft etwa 16 Millionen Dollar entspricht.
Ich war schlau gewesen – und hatte genau darum alles verloren.
Das war eine wertvolle Erfahrung. Sie zeigte mir, wie wenig ich über die Märkte wusste. Und ich lernte dabei auch viel über mich selbst. Später, während meiner kurzen Lehrtätigkeit an der Columbia University, vermittelte ich diese Erkenntnis meinen Studenten. Ich sagte ihnen, sie sollten sich keine Sorgen über ein mögliches Scheitern machen. Sie sollten sich auch nicht den Kopf darüber zerbrechen, im Leben Fehler zu machen. Es
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