Die Wall Street ist auch nur eine Straße
Mann am anderen Ende des Tisches verkündete in einem betont lauten Flüsterton, für wie absurd er mich hielt und wie sehr er eine solche Strategie verachtete. Er hatte seinen eigenen Hedgefonds, einen der wenigen, die es damals gab, was ihn theoretisch zu einem der besseren unter den jungen, erfolgreichen Investoren machte. Deshalb und weil es sich um mein erstes Abendessen mit allen diesen Leuten handelte, fühlte ich mich peinlich berührt. Der Mann hieß Bruce Waterfall und war etwa so alt wie ich. Seine Firma war Morgens Waterfall (er starb 2008). In den folgenden Jahren stieg der Kurs von Lockheed um das Hundertfache. Ich erinnere mich deshalb an Waterfalls Reaktion, weil ich überall so empfangen wurde, wo ich laut über die Dinge sprach, in die ich investierte.
Gegen den Strom und die vorherrschende Meinung verkauften Soros und ich bei Quantum die hochkapitalisierten Aktien leer, also Aktien, von denen es hieß, man sollte sie einfach kaufen und behalten, und die als extrem stabil galten. Man nannte sie die Nifty Fifty – einige von ihnen kosteten das Hundert- oder Zweihundertfache der jährlichen Unternehmensgewinne, und alle Banken, alle Investmentfonds kauften sie. Wir verkauften das Britische Pfund leer. 1980 schoss Gold nach oben – wir verkauften es leer. Das waren glorreiche und aufregende Jahre, und wir erzielten jedes Jahr Gewinne. Und das waren die Zeiten der Baisse, als jeder die Wall Street für einen Ort des Schreckens hielt. 1980, nach einem Jahrzehnt, in dem der S&P500 um 47 Prozent gestiegen war – was etwa den Gewinnen entsprach, die meine Mutter mit ihrem Sparkonto bei der örtlichen Bank verzeichnete –, hatte Quantum einen Profit von insgesamt 4200 Prozent erzielt.
4. Wie man die Baisse besiegt
Mitte der 1970er-Jahre war ich auf eine Party im Central Park West eingeladen, dem Teil der Eight Avenue, der entlang des Central Parks verläuft. Meine Gastgeber waren der Investmentmanager Jeff Tarr und seine Frau Patsy. Als Mrs. Tarr mich fragte, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiente, antwortete ich, dass ich an der Wall Street arbeite. Ihre unmittelbare Reaktion war von Mitgefühl geprägt.
»Oh«, sagte sie, »dann geht es Ihnen sicher recht schlecht.«
Die Märkte waren eine Katastrophe; schon seit Jahren, und daran sollte sich so schnell auch nichts ändern. Ende 1964 stand der Dow bei 800 Punkten, und nach 18 Jahren rekordhoher Inflation lag er 1982 immer noch bei 800 Punkten.
»Nein«, versicherte ich ihr. »Mir geht es hervorragend. Ich bin short .«
Sie betrachtete mich von oben bis unten, und ihr Gesichtsausdruck machte klar, was sie dachte: Ich sehe selbst, dass du kurz bist, du Trottel, aber was willst du damit eigentlich sagen?
Sicher hatte es Zeiten gegeben, in denen ich wegen meiner Körpergröße von 1,66 Metern verlegen gewesen war, aber das war schon damals lange vorbei. Jegliche Unsicherheit verschwand bei meinem Eintritt in die Armee. Ich war zwar der Kleinste in meinem OCS-Kurs – wir mussten uns immer der Körpergröße nach aufstellen –, aber was meine Leistungen betraf, war ich der Beste. Später trugen Unabhängigkeit und Erfolg, sowohl auf finanziellem als auch auf romantischem Gebiet, noch mehr dazu bei, dass meine Körpergröße unwichtig wurde. Ich weiß noch, dass ich meine Freundin Tabitha, die mich um ungefähr zehn Zentimeter überragte, dazu aufforderte »aufrecht zu stehen« und sich nicht darum zu kümmern, dass sie größer war als ich. Was dieses Thema anging, so erklärte ich ihr, müsse sie sich keine Sorgen mehr machen.
Damals gab es nur wenige Hedgefonds, und Leerverkäufe, eine der Maßnahmen, mit denen Hedgefonds ihre Positionen absichern, waren relativ unbekannt. Mrs. Tarr war damals nicht die Einzige, die diese Vorgehensweise nicht kannte. Zu den Leuten, für die dieses Konzept ein Mysterium war, gehörte auch Präsident Richard Nixon. Als man ihm erklärte, wie Leerverkäufe funktionieren, denunzierte Nixon sie als unamerikanisch. Und er war im Lauf der Geschichte nicht der einzige politische Führer, der so etwas für unpatriotisch hielt. Napoleon Bonaparte ließ Leerverkäufer als Verräter ins Gefängnis stecken.
Die meisten Leute kaufen eine Aktie bei sagen wir mal 10 Dollar und verkaufen sie dann bei vielleicht 25 Dollar. Sie kaufen und verkaufen, um einen Gewinn zu erzielen. Leerverkäufe drehen den Prozess um, mit dem Gewinne erzielt werden. Man verkauft die Aktie bei 25 Dollar und kauft sie dann bei 10 Dollar. Aber wie
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