Die Wand
Schläfchen in der Sonne. Er war sehr wehleidig und, abgesehen von seiner geschäftlichen Tüchtigkeit (die ich voraussetzen mußte), ängstlich wie ein kleines Kind. Er hatte eine große Liebe für Vollständigkeit und Ordnung und reisteimmer mit zwei Zahnbürsten. Von jedem Gebrauchsgegenstand besaß er mehrere Exemplare; dies schien ihm Sicherheit zu verleihen. Im übrigen war er recht gebildet, taktvoll und ein schlechter Kartenspieler.
Ich erinnere mich nicht, jemals mit ihm ein Gespräch von einiger Bedeutung geführt zu haben. Manchmal unternahm er kleine Vorstöße in diese Richtung, ließ aber jedesmal vorzeitig davon ab, vielleicht aus Schüchternheit oder einfach, weil es ihm zu mühsam war. Mir war das jedenfalls sehr angenehm, denn es hätte uns doch nur in Verlegenheit versetzt.
Damals war immerzu die Rede von Atomkriegen und ihren Folgen, und das bewog Hugo dazu, sich in seinem Jagdhaus einen kleinen Vorrat von Lebensmitteln und anderen wichtigen Gegenständen einzulagern. Luise, die das ganze Unternehmen sinnlos fand, ärgerte sich darüber und fürchtete, es werde sich herumsprechen und Einbrecher anlocken. Sie hatte wahrscheinlich recht damit, aber in diesen Dingen konnte Hugo einen Starrsinn entwickeln, der nicht zu brechen war. Er bekam Herzbeschwerden und Magenkrämpfe, bis Luise ihren Widerstand aufgab. Es war ihr im Grund auch ganz gleichgültig.
Am dreißigsten April luden mich die Rüttlingers ein, mit ihnen zum Jagdhaus zu fahren. Ich war damals seit zwei Jahren verwitwet, meine beiden Töchter waren fast erwachsen, und ich konnte mir meine Zeit einteilen, wie es mir gefiel. Allerdings machte ich wenig Gebrauch von meiner Freiheit. Ich war immer schon eine seßhafte Natur gewesen und fühlte mich zu Hause am wohlsten. Nur Luises Einladungen schlug ich selten aus. Ich liebte das Jagdhaus und den Wald und nahm gerne die dreistündige Autofahrt auf mich. Auch an jenem dreißigstenApril nahm ich die Einladung an. Wir wollten drei Tage bleiben, und es war kein weiterer Gast geladen.
Das Jagdhaus ist eigentlich eine einstöckige Holzvilla, aus massiven Stämmen gebaut und heute noch in gutem Zustand. Im Erdgeschoß ist eine große Wohnküche in Bauernstubenart, daneben ein Schlafzimmer und eine kleine Kammer. Im ersten Stock, um den eine Holzveranda führt, liegen drei kleine Kammern für die Gäste. Eine dieser Kammern, die kleinste, wurde damals von mir bewohnt. Etwa fünfzig Schritt entfernt liegt auf einem Abhang, der zum Bach abfällt, ein kleines Blockhaus für den Jäger, eigentlich nur eine einräumige Hütte, und daneben, gleich an der Straße, steht eine Brettergarage, die Hugo bauen ließ.
Wir fuhren also drei Stunden mit dem Wagen und hielten im Dorf, um Hugos Hund vom Jäger abzuholen. Der Hund, ein bayrischer Schweißhund, hieß Luchs und war zwar Hugos Eigentum, aber beim Jäger aufgewachsen und von ihm abgerichtet. Seltsamerweise war es dem Jäger gelungen, den Hund dahin zu bringen, daß er Hugo als seinen Herrn anerkannte. Luise allerdings beachtete er nicht, er gehorchte ihr auch nicht und ging ihr aus dem Weg. Mich behandelte er mit freundlicher Neutralität, hielt sich aber gern in meiner Nähe auf. Er war ein schönes Tier mit dunklem rotbraunem Fell und ein ausgezeichneter Jagdhund. Wir unterhielten uns ein wenig mit dem Jäger, und es wurde vereinbart, daß er am nächsten Abend mit Luise zur Pirsch gehen sollte. Sie hatte die Absicht, einen Rehbock zu schießen; die Schonzeit endete gerade am ersten Mai. Dieses Gespräch zog sich dahin, wie es eben auf dem Land üblich ist, und sogar Luise, die das nie verstehen konnte, zugehe ihre Ungeduld, um den Jäger, den sie notwendig brauchte, nicht zu verstimmen.
Erst gegen drei Uhr erreichten wir das Jagdhaus. Hugo ging sofort daran, aus dem Kofferraum seines Wagens neue Vorräte in die Kammer neben der Küche zu schaffen. Ich kochte Kaffee auf dem Spirituskocher, und nach der Jause, Hugo fing gerade an einzunicken, schlug Luise ihm vor, mit ihr noch einmal ins Dorf zu gehen. Es war natürlich die pure Bosheit. Jedenfalls ging sie sehr geschickt vor, indem sie Bewegung als unerläßlich für Hugos Gesundheit hinstellte. Gegen halb fünf Uhr hatte sie ihn endlich soweit und zog triumphierend mit ihm ab. Ich wußte, sie würden im Dorfwirtshaus landen. Luise liebte den Umgang mit Holzknechten und Bauernburschen, und es kam ihr nie in den Sinn, daß die verschlagenen Gesellen heimlich über sie lachen könnten.
Ich räumte das
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