Die Wanderapothekerin 1-6
schämte sich ihrer schlimmen Gedanken über die Schwangere. Ihre Mutter hatte, als sie mit ihren jüngeren Geschwistern schwanger gegangen war, ebenfalls seltsame Launen gezeigt.
Gemeinsam mit Emma gelang es ihr, die Gräfin mit warmem Wasser und einer milden, süß duftenden Seife zu waschen. Dann trockneten sie die Dame ab und zogen ihr das frische Nachthemd über. Klara staunte, als sie dieses Ding sah. Es war aus roter Seide gefertigt und mit einer Unmenge Rüschen besetzt, ließ sich aber offenbar sehr angenehm tragen.
Da auch die Bettwäsche erneuert werden sollte, hoben Klara und Emma die Gräfin aus dem Bett und setzten sie in einen Sessel. Die Dame murrte dabei und war erst zufrieden, als sie in ihrem frischen und mit Parfüm besprühten Bett lag. Schließlich forderte sie mit hochnäsiger Stimme, dass eine neue Suppe für sie gekocht würde.
»Ich werde es veranlassen«, rief Klara und lief aus dem Zimmer. In der Küche, so hoffte sie, würde sie endlich selbst etwas zu essen bekommen, denn sie hatte Hunger wie ein Bär.
Trotz der späten Stunde waren der Koch und seine Helfer wach, und das Feuer auf dem Herd brannte noch. Als Klara ausrichtete, Ihre Erlaucht wünsche eine Suppe, machte Bertold sich mitsamt dem Küchenjungen Anton ans Werk. Klara trat derweil neben Rita und zupfte sie am Ärmel.
»Kannst du mir eine Kleinigkeit zu essen besorgen? Ich habe zu Mittag nur ein Stück Brot zu mir genommen und den ganzen Abend über noch gar nichts.«
»Setz dich! Ich bringe dir etwas«, sagte Rita und wies auf den Tisch.
Kurz darauf ließ sich Klara eine große Wurst, etwas Schinken, weißes Brot und sehr viel Butter schmecken. Und schon tauchte Martha neben ihr auf.
»Das nenne ich wahre Freundschaft! Du frisst, während mir der Magen bis zu den Kniekehlen hängt!«
»Setz dich!«, befahl Rita und stellte ihr ebenfalls etwas hin.
»Jetzt könnten wir doch weiterziehen«, meinte Martha zwischen zwei Bissen.
»Die Gräfin will, dass ich noch ein paar Tage bleibe, um sie zu pflegen«, antwortete Klara und machte keinen Hehl daraus, wie sehr ihr das gegen den Strich ging.
»Mir auch recht. Aber dann gehe ich nicht mehr zum Wirtschaftshof hinüber, um Tannenzapfen zu sammeln, sondern helfe dir!« Martha ließ das nächste Wurststück im Mund verschwinden und sagte sich, dass sie selten besser gegessen hatte. Daher konnte sie es noch einige Tage im Schloss aushalten, auch wenn sie ebenso wie Klara sehr viel lieber weitergezogen wäre.
8.
O bwohl sich kein Gift mehr in ihren Mahlzeiten befand, erholte die Gräfin sich nur langsam. Je mehr ihre Mattigkeit wich, umso unleidlicher wurde sie ihren Bediensteten gegenüber. Klara und Emma mussten sie mindestens dreimal am Tag umkleiden, weil sie Ludwig von Triberg stets in einem frisch gewaschenen Morgenrock empfangen wollte.
Der jetzige Graf kümmerte sich um die in letzter Zeit arg vernachlässigte Verwaltung der gräflichen Liegenschaften und spürte nebenbei jenem Mann nach, der als Auftraggeber des toten Vorkosters in Frage kommen konnte. Zwischendurch suchte er die Schwangere auf und erstattete ihr Bericht.
Klara hatte daher viel zu tun, zumal die Gräfin sich von ihren Arzneien Wunderdinge erhoffte. Als diese ausblieben, ließ sie ihren Unmut an der Wanderapothekerin aus.
Das nahm Klara ohne Widerspruch hin, doch als sie an diesem Abend in ihrer Kammer mit Martha zusammensaß, seufzte sie tief. »Ich wollte, wir könnten morgen aufbrechen! Doch das würde die Gräfin nicht erlauben.«
»Sie triezt dich ordentlich, habe ich von Rita gehört«, antwortete Martha und zog einen Flunsch. »Dabei sollte sie dir dankbar sein. Immerhin hast du ihr Leben gerettet. Aber so sind die hohen Herrschaften nun einmal. Mir wurde auch versprochen, dass ich dir bei der Pflege der Gräfin helfen soll. Stattdessen schleppe ich Holz und Wasser für die Küche, putze die Böden in den Repräsentationszimmern und helfe in der Waschküche mit, all die Vorhänge, Sesselbezüge und was sonst noch da ist, zu waschen.«
»Ihre Rettung schreibt die Gräfin Baron Ludwig zu«, sagte Klara grimmig, ohne auf die Bemerkung ihrer Freundin einzugehen. Sie war zutiefst verärgert. Auch wenn sie keine Belohnung für diese Tat erwartete, so kränkte sie es doch, dass ihre Bemühungen nichts galten, die von Triberg hingegen sehr viel.
»Rita meint, dass die Gräfin den Baron über kurz oder lang dazu bringen wird, um ihre Hand anzuhalten. Wenn ihr Kind stirbt oder nur ein Mädchen ist,
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