Die Wanderapothekerin 1-6
wird er der neue Herr von Waldstein, und sie müsste sich mit dem Witwensitz zufriedengeben. Doch dafür fühlt sie sich noch zu jung. Immerhin war sie nur zwei Jahre mit ihrem toten Mann zusammen und ist kaum älter als du, wenn überhaupt.«
Es wunderte Klara nicht, dass Martha so viel wusste, denn sie kannte deren Geschick, mit anderen zu reden. Da hier auf Waldstein in den letzten Monaten nur sehr wenig gesprochen worden war, gab es für Rita und auch für das restliche Gesinde einiges nachzuholen. Das Gehörte machte sie nachdenklich. Bisher hatte sie die Gräfin für einige Jahre älter eingeschätzt, doch das lag wohl an der Auszehrung durch das Gift.
»Auf jeden Fall sucht der Baron sie mehrmals am Tag auf, um sich nach ihrem Befinden zu erkunden und um Rat zu bitten, wenn etwas entschieden werden muss«, sagte sie zu Martha.
»Geschickt ist er ja«, meinte diese grinsend. »Er könnte auch über ihren Kopf hinweg bestimmen, aber so macht er ihr weis, dass sie noch immer die Herrin auf Waldstein ist und er nur ein Gast, der sich bemüht, ihr zu helfen.«
»Ich wäre auch gerne Gast und nicht die Hilfszofe der Gnädigen«, fauchte Klara. »Vor allem aber bin ich eine Wanderapothekerin, und Herr Just verlässt sich auf mich. Wir müssten längst weitergezogen sein! In den nächsten Tagen müsste ich mich mit Herrn Tobias treffen, doch wie es aussieht, wird er vergeblich auf mich warten und mich für ein unzuverlässiges Ding halten. Der Bote, den Triberg mir versprochen hat, ist nämlich nicht losgeschickt worden.«
Klara spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Auch wenn sie Tobias, seit er Martha in seine Kammer gelassen hatte, für einen elenden Liederjan hielt, sollte er doch einen guten Eindruck von ihr gewinnen. Immerhin ging es um das nächste Jahr, in dem sie ebenfalls die Strecke ihres Vaters bewältigen musste. Sollte Tobias zu Hause jedoch berichten, sie wäre nicht die richtige Person dafür, konnte dies ihre Familie das Anrecht kosten, Justs Arzneien zu verkaufen. Damit aber würde ihr jüngerer Bruder die Aussicht auf einen Beruf verlieren, der ihn und seine Familie ernähren konnte. Ihm blieb dann nur noch, als Holzknecht, Pechsammler oder Köhler zu arbeiten, und das waren keine Gewerbe, in denen man es zu einem bescheidenen Wohlstand bringen konnte. Auch ging es um sie selbst, die Mutter und die kleine Liebgard, die dann nur noch mühsam vom Sammeln und Ziehen der Kräuter leben oder im schlimmsten Fall auf Taglohn gehen mussten.
»Ich werde es schaffen«, stieß sie hervor, »und wenn wir uns heimlich aus dem Schloss schleichen müssen!«
Dabei wusste sie selbst, dass dies keine Lösung war. Würde sie dies wirklich tun, bestand die Gefahr, dass Gräfin Griselda ihr verbieten würde, im nächsten Jahr auf den Besitztümern der Waldsteins Arzneien zu verkaufen.
»Wenn ich nur wüsste, wie ich dir helfen kann«, stöhnte Martha. »Ich muss hier auch ganz schön schuften, weil die Mamsell niemanden untätig herumstehen lässt.« Martha klang verdrossen, denn ebenso wie Klara erhielt sie keinen Lohn, wurde aber gescholten, wenn ihr die Arbeit nach Ansicht der Mamsell nicht schnell genug von der Hand ging.
»Gebe Gott, dass wir dieses Schloss bald verlassen können«, antwortete Klara und hob den Kopf. »Emma klingelt nach mir! Ich muss wieder zu Ihrer Erlaucht.« Sie stand auf, umarmte Martha kurz, um sie zu trösten, und eilte dann in die Gemächer der Gräfin.
Wie erwartet wollte Griselda von Waldstein Nachthemd und Morgenrock wechseln und gewaschen werden. Da sie mittlerweile in der Lage war, sich selbst zu erheben und sogar einen Augenblick an einen der Pfosten ihres Himmelbetts gelehnt zu stehen, fiel diese Arbeit den Pflegerinnen leichter als früher. Dafür aber musste sie viel öfter getan werden.
Die Gräfin bestand darauf, dass auch die Bettwäsche gewechselt wurde. Da Emma sie stützen musste, blieb diese Aufgabe an Klara hängen. Zwar half ihr eines der Zimmermädchen, stellte sich aber so ungeschickt an, dass sie alles noch einmal strammziehen und glatt streichen musste. Danach galt es, die Gräfin aus dem alten Morgenrock und ihrem Hemd zu schälen und sie vorsichtig mit einem weichen, porösen Ding zu waschen, wie Klara es vorher noch nie gesehen hatte. Das Wasser durfte dabei nicht zu heiß, aber auch nicht zu kalt sein und der Seifenschaum nicht in die Augen der Herrin dringen.
Klara hatte gehört, dass hohe Herrschaften sich nur selten wuschen, sondern ihren
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