Die Wanderapothekerin 1-6
Erlaucht verspürt Schmerzen in der Leibesmitte. Die Mamsell und die Apothekerin sollen ebenfalls kommen!«
Da Klara gerade ins Zimmer trat, hörte sie es und ging sogleich weiter in das Schlafgemach der Gräfin. Diese lag wimmernd auf ihrem Bett und hatte die Finger in die Laken gekrallt.
»Es tut so weh!«, rief sie verzweifelt.
Klara war zunächst hilflos, doch die Mamsell, die wenig später in den Raum kam, erfasste die Situation mit einem Blick.
»Ihre Erlaucht steht vor der Niederkunft!«, rief sie. »Eile in die Küche! Man soll dort Wasser heiß machen. Der Küchenjunge kann es in die Nebenkammer stellen. Wir brauchen Rita, damit sie es hereinbringt. Beeil dich!«
Das ließ Klara sich nicht zwei Mal sagen und rannte davon. Wenig später kehrte sie mit einer Schüssel warmen Wassers und der Küchenmagd im Schlepptau zurück. Im Schlafzimmer hatten die Mamsell und Emma unterdessen das Hemd der Gräfin bis zum Bauch hochgezogen und standen mit sorgenvollen Mienen neben dieser.
»Heilige Jungfrau im Himmel, gib, dass unsere Herrin ihr Kind gesund zur Welt bringt und sie die Niederkunft übersteht«, flehte die Mamsell.
Dann krempelte sie die Ärmel auf und tastete den Leib der Schwangeren ab. »Das Kind hat sich gesenkt. Wenn es nur schnell kommen würde!«
Die Gräfin stieß einen noch lauteren Schrei aus, und Klara wich unwillkürlich bis zur Tür zurück.
Die Mamsell sah es und winkte sie zu sich. »Du musst mir helfen! Emma ebenfalls. Es ist schrecklich, dass wir keinen Arzt mehr im Schloss haben.«
»Gibt es denn keine Hebamme?«, fragte Klara.
»Das schon, aber die wohnt zwei Reitstunden von hier entfernt. Zudem ist sie eine hässliche, alte Vettel, deren Anblick ich meiner Herrin ersparen will.«
Da die Mamsell sich allzu ablehnend anhörte, verzichtete Klara darauf, sie zu bitten, die Hebamme trotzdem zu holen. Allerdings fragte sie sich, was sie hier bewirken konnte. Mit ihren siebzehn Jahren hatte sie noch bei keiner Geburt mithelfen dürfen. Ihre Mutter aber hatte anderen Gebärenden geholfen, und so versuchte sie, sich zu erinnern, was diese darüber erzählt hatte. Viel war es nicht, und so hoffte sie, dass die Mamsell wusste, was zu tun war.
Zu ihrer Erleichterung behielt diese den Überblick. Sie gab Befehle, die Klara, Emma und Rita umgehend ausführten, und beruhigte gleichzeitig die Gräfin, die verzweifelt schrie, dass sie niemals geahnt hätte, mit welchen Schmerzen eine Geburt verbunden war.
»Es wird schon alles gut, Euer Erlaucht! Es soll nur beim ersten Kind so schlimm sein. Zudem seid Ihr durch das Gift geschwächt. Hast du nichts, was die Schmerzen lindert?«
Der letzte Satz galt Klara, die kurz überlegte und dann losrannte, um mit einem kleinen Fläschchen zurückzukehren.
»Hier, das ist ein Elixier aus dem Saft einer speziellen Mohnsorte. Es ist aber sehr teuer, und man darf es nur ein- oder zweimal anwenden!«
»Als wenn Geld bei Ihrer Erlaucht eine Rolle spielen würde«, schnaubte die Mamsell und wollte Klara das Gefäß abnehmen, doch die hielt es fest umklammert.
»Es ist nicht ungefährlich! Ich muss die Tropfen genau abmessen, und sie dürfen nicht zusammen mit Wein verabreicht werden.«
Klaras Einschränkungen ängstigten die Gräfin, und sie schüttelte den Kopf. »Das ist ja fast so schlimm wie bei diesem schrecklichen Gift, das mich beinahe umgebracht hätte. Ich nehme es nicht!«
»Wie Euer Erlaucht wünschen!« Klara stellte das Fläschchen beiseite und half Emma, die Gebärende bequemer zu betten. Im Augenblick ging es der Gräfin wieder besser, und sie hoffte schon, dass es so bleiben würde. Einige Zeit später überfiel sie jedoch die nächste Wehe, und sie schrie wie am Spieß.
Die Mamsell versetzte Klara einen Stoß. »Gib ihr die Tropfen, aber achte darauf, dass es nicht zu viele werden.«
Obwohl Klara nickte, zögerte sie. Was war, wenn sie die Beschreibung nicht richtig verstanden hatte?, fragte sie sich. Auch wenn die Gräfin aus anderen Gründen bei der Geburt sterben würde, könnte man sie als die Schuldige ansehen. Schließlich aber nahm sie ein Glas, ließ es von Rita mit frischem Wasser füllen und zählte so viele Tropfen ab, wie sie glaubte, vertreten zu können. Als sie den Trank der Gräfin reichte, riss diese ihn ihr aus der Hand und trank ihn hastig leer.
»Spürt Ihr schon eine Erleichterung?«, fragte die Mamsell, obwohl es dafür noch viel zu früh war.
Die Gräfin schüttelte zunächst den Kopf, hielt dann aber inne und
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