Die Wanderapothekerin 1-6
wies Martha in die Ruine hinein. »Irgendjemand hat die alten Balken abgestützt, damit sie nicht weiter einbrechen. Kann das dein Vater gewesen sein?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Klara. »Vielleicht ist es auch eine Räuberhöhle. Wir sollten weitergehen!«
Martha schüttelte abwehrend den Kopf. »Eine Räuberhöhle sähe anders aus. Es ist ja gar nichts da, weder ein Kochgeschirr noch ein einfaches Nachtlager. Nur die verrotteten Zweige dort in der Ecke. Außerdem ist die Asche alt. Hier hat schon lange niemand mehr ein Feuer entzündet!«
»Ich habe das Gefühl, wir sollten auch darauf verzichten!« Klara sah sich um und stellte fest, dass dieser Platz so von Gebüsch verdeckt wurde, dass niemand vom Wald aus ein kleines Kochfeuer sehen würde.
»Also gut, wir machen Feuer und backen Stockbrot, so wie Vater es immer getan hat!« Klara holte ein wenig Wasser aus der nahe gelegenen Quelle und begann, den Teig zu kneten. Unterdessen sammelte Martha weiteres Holz und entzündete ein kleines Feuer.
Kurz darauf saßen beide an den wärmenden Flammen und hielten abgeschnittene Zweige hinein, um die sie Teigschnüre gewickelt hatten. Nachdem sie den ersten Bissen genossen hatte, kam Martha auf die ehemaligen Bewohner zu sprechen.
»Ob die alle umgebracht worden sind?«, fragte sie mit einem ängstlichen Blick, als erwarte sie, jeden Augenblick die Geister der Toten zu sehen.
Klara schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Selbst wenn der Tilly hier durchgezogen ist, müssten einige entkommen sein. Wahrscheinlich haben sie sich in den umliegenden Dörfern angesiedelt.«
»Es ist gut, dass kein solcher Krieg mehr herrscht«, sagte Martha. »Meine Muhme hat mir einiges darüber erzählt. Die Soldaten sollen gehaust haben wie Teufel!«
»Ich weiß wenig davon. Unser Pastor hat einmal davon gesprochen und gesagt, dass der Tilly und der Wallenstein samt dem Kaiser dafür in die Hölle kommen werden.«
»Die Schweden sollen noch schlimmer gewesen sein als die Kaiserlichen! Ich möchte keinem von denen begegnen.« Martha schüttelte sich bei der Erinnerung an das, was ihre Großmutter erzählt hatte. Sie war zwar noch sehr klein gewesen, als diese starb, doch einiges war ihr im Gedächtnis geblieben. Sie berichtete Klara davon und meinte zuletzt, sie könne nur hoffen, dass Gerold nicht zu den Soldaten gesteckt worden sei. »Sonst müssten wir denen folgen – und ich weiß genau, was die mit uns beiden anstellen würden! Es ist nichts Angenehmes, glaube mir. Da würde ich noch lieber unter Graf Benno liegen müssen.«
»Wenn Gerold von Soldaten verschleppt worden ist, können wir ohnehin nichts unternehmen, sondern müssen auf die Hilfe unseres Fürsten hoffen«, wiederholte Klara ihre Einschätzung vom Nachmittag.
Dabei war sie ganz und gar nicht davon überzeugt, dass Ludwig Friedrich von Schwarzburg-Rudolstadt so viel Einfluss hatte, und so überlegte sie, sich nach dem Abschluss ihrer Strecke selbst auf die Suche zu machen. Vorher aber musste sie auf die Spur ihres Bruders stoßen. Mit diesem Gedanken legte sie sich schlafen.
Martha kroch zu ihr unter die Decke und fasste nach ihrer Hand. »Wir werden deinen Bruder finden! Ganz sicher!«
»Das werden wir!«, antwortete Klara und schöpfte neuen Mut.
11.
A m nächsten Morgen zogen sie nach einer Katzenwäsche und einem kargen Frühstück weiter. Der Wald um sie herum wurde dichter, und der Pfad war kaum noch zu erkennen. Immer wieder mussten sie über umgestürzte Bäume steigen, und ihre Hoffnung, bald auf das nächste Dorf zu stoßen, schwand von Minute zu Minute.
»Hier ist schon lange keiner mehr gegangen«, stöhnte Martha. »Sind wir überhaupt noch auf dem richtigen Weg?«
»Ich habe keine Abzweigung gesehen«, antwortete Klara. »Außerdem stimmt es nicht, dass hier keiner gegangen ist. Ich habe vorhin den Abdruck eines großen Schuhs gesehen, der nicht älter sein kann als einen Tag.«
»Hoffentlich führt dieser Pfad nicht geradewegs auf eine Räuberhöhle zu.« Martha hatte eigentlich einen Witz machen wollen, zuckte aber bei ihren eigenen Worten zusammen und sah sich ängstlich um.
»Das Unterholz ist so dicht, dass wir nicht einmal fliehen könnten, wenn wir auf Räuber träfen.«
»Wir werden schon nicht auf Räuber stoßen«, sagte Klara und ging weiter.
Ihr gefiel diese Gegend auch nicht. Zähes Buschwerk wuchs in den Pfad hinein, und sie mussten immer wieder Zweige beiseitebiegen, um durchzukommen. Nach einer Weile befürchtete
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