Die Wanderapothekerin 1-6
gesucht.«
»Auf jeden Fall ist er ein übler Kerl! Ich würde ihm keine drei Schritte über den Weg trauen.« Martha nickte, als wolle sie sich selbst bestätigen, und schritt weiter.
In den nächsten zwei Stunden gingen Klara und sie alle Möglichkeiten durch, wie ein junger Mann spurlos hatte verschwinden können, und kamen dabei immer wieder auf das Militär. Seit langem herrschte Krieg, und es gab immer wieder Kämpfe zwischen dem Reichsheer und den Franzosen. Da konnte es leicht sein, dass ein kräftiger, gesunder Bursche wie Gerold zwangsweise in ein Regiment gepresst worden war.
»Wir sollten in Zukunft auch nach Soldaten fragen, die durch das Land gezogen sind«, schlug Martha vor.
Klara nickte verbissen. »Das ist ein guter Vorschlag! Wenn wir davon hören und sich bald darauf Gerolds Spur verliert, können wir sicher sein, dass er gepresst worden ist.«
»Aber wenn er bei den Soldaten ist, haben wir keine Möglichkeit, ihn zu finden. Du musst deine Strecke fertig abgehen und dann nach Hause zurückkehren«, wandte Martha ein.
Damit hatte ihre Freundin leider recht. Klara seufzte. »Es wäre aber eine Spur, die uns weiterhelfen kann. Sobald wir wissen, um welches Regiment es sich handelt, werde ich Seine Hoheit, Fürst Ludwig Friedrich, bitten, sich für meinen Bruder zu verwenden. Gerold ist immerhin privilegierter Wanderapotheker. Den darf man nicht einfach zu den Soldaten stecken.«
Martha war anderer Ansicht, denn sie hatte die Willkür der Mächtigen am eigenen Leibe erfahren und traute diesen alles zu. Aber sie sagte nichts, um Klara die Hoffnung nicht zu nehmen.
Sie wechselte das Thema. »Wo, meinst du, sollen wir heute übernachten? Erreichen wir überhaupt noch ein Dorf, bevor es dunkel wird?«
»Das nächste Dorf soll eine Wüstung sein, die man bei dem großen Sterben in jenem entsetzlich langen Krieg aufgegeben hat«, erklärte Klara. »Mein Vater hat wohl häufig dort übernachtet, ein paar Häuser sollen noch brauchbar sein.«
»Jetzt noch? Nach so vielen Jahren?«, fragte Martha verwundert und blickte prüfend zum Himmel. »Ich schätze, wir werden wieder einmal im Wald übernachten. Zum Glück sieht es nicht nach Regen aus.«
»Vielleicht finden wir in dem Dorf wirklich ein Dach über dem Kopf. Wir müssten es bald erreichen. Kannst du das Reff noch tragen, oder soll ich es wieder übernehmen?« Klara sah Martha auffordernd an, doch diese winkte ab.
»Wenn es nicht mehr weit ist, schaffe ich das schon!«
»Sag aber früh genug, wenn es nicht mehr geht.«
»Mach ich!« Martha lächelte ein wenig über ihre Freundin. Die trug das Reff weitaus öfter und länger, tat aber so, als würde sie unter dem Gewicht zusammenbrechen. Dabei war sie um einiges kräftiger als Klara. Sie freute sich jedoch, dass diese sich um sie sorgte.
Bis auf die Mutter, die früh gestorben war, hatte das niemand getan, nicht einmal ihr Vater. Dieser hatte sie gelehrt, wie sie Fische unbemerkt aus den Bächen ihres Herrn holen und Schlingen legen konnte. Sie war mehr wie ein Junge aufgewachsen und hatte erst begriffen, dass sie ein weibliches Wesen war, als Graf Benno es ihr schmerzhaft beigebracht hatte. Bei dem Gedanken schwor Martha sich, niemals mehr zuzulassen, dass ein Mann sie gegen ihren Willen nahm.
»Dort ist das Dorf!«, rief Klara aus und zeigte auf einige zusammengebrochene Hütten, die zum guten Teil von Gebüsch und jungen Bäumen überwuchert waren. Ein festes Haus, das eine sichere Unterkunft bot, suchten sie jedoch vergebens.
»In der Erzählung meines Vaters sah es hier anders aus«, rief Klara enttäuscht.
»Solange es nicht regnet, geht es auch so«, antwortete Martha und setzte das Reff ab. »Puh, das Ding ist doch ganz schön schwer!«
»Ich hätte es längst wieder übernehmen können!« Klara klang ein wenig gekränkt, doch das lag weniger an Marthas Bemerkung als an den verfallenen Katen, von denen einige unter dem Gestrüpp kaum noch zu erkennen waren.
Während ihre Freundin sich hilflos umschaute, suchte Martha trockenes Holz für ein Lagerfeuer und entdeckte dabei eine Hütte, deren Dach zwar halb zusammengebrochen war, aber immer noch einen trockenen Platz für zwei junge Frauen bot.
»He, Klara! Ich glaube, das hier hat dein Vater gemeint. Hier ist auch noch die Asche eines Lagerfeuers.«
Klara hob ihr Reff auf und trug es zu der Stelle, auf die Martha deutete. »Das habe ich mir aber anders vorgestellt«, meinte sie, als sie vor der zerstörten Hütte stand.
Lachend
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