Die Wanderapothekerin 1-6
wollte ihn gegen die Wand schmettern.
Im letzten Augenblick hielt Magdalena Just seine Hand auf. »Bitte, Rumold! Jetzt beruhige dich doch! Du darfst den Befehl des Fürsten nicht missachten. Also lass alles für Klara herrichten. Vielleicht bewältigt sie ihre Strecke ja sogar.«
»Gar nichts wird die bewältigen! Ich sage dir, was sie tun wird. Nach zwei oder drei Tagen wird ihr das Reff mit all seinen Tiegeln und Töpfen zu schwer, und dann wird sie alles stehen und liegen lassen und nach Hause zurückkehren.«
»Das bringt dir doch keinen Verlust, denn sie hat genug Geld vom Amtmann erhalten, um nicht nur ihre Schulden zu begleichen, sondern auch die Ware bezahlen zu können, die sie mitnehmen will«, erklärte Tobias.
»Aber ich verliere die Kunden auf der Strecke, weil sie behaupten werden, der Laborant Just sei zu unzuverlässig, um weiterhin bei ihm kaufen zu können!« Rumold Just verfluchte in Gedanken das Mädchen, das den Fürsten beschwatzt hatte, so einen Unsinn zu befehlen.
»Ich wollte, sie wäre dem Köhler nicht entwischt«, entfuhr es ihm.
»Rumold, sag so etwas nicht! Nicht, dass der Herrgott dich dafür straft«, rief Magdalena Just erschrocken.
»Ich meine das doch nicht ernst. Es ist nur gut, dass dieser Schurke seine gerechte Strafe erhalten hat. Aber hätte diese kleine Nervensäge sich nicht etwas anderes wünschen können, denn als Wanderapothekerin gehen zu dürfen? Der Fürst und der Amtmann tun sich leicht damit, es ihr zu erlauben. Der Einzige, der den Schaden hat, bin ich!« Just schnaubte kurz und musterte dann seinen Sohn mit einem schwer zu deutenden Blick.
»Ich werde jedoch zu verhindern wissen, dass meine Geschäfte deswegen schlechter laufen. Du hast mir im Herbst angeboten, Martin Schneidts Strecke zu übernehmen, bis dessen jüngerer Sohn dazu in der Lage ist. Bei Gott, ich werde auf dein Angebot zurückkommen!«
»Und wie willst du Klara daran hindern, dass sie selbst geht?«, fragte Tobias mit einem spöttischen Auflachen.
Magdalena Just sah den sich anbahnenden Streit zwischen ihrem Mann und ihrem Sohn mit Sorge. »Jetzt haltet doch beide inne«, bat sie. »Unser Herrgott im Himmel wird schon verhindern, dass Klara unterwegs Schaden nimmt.«
»Gott hat Wichtigeres zu tun, als sich um ein kleines Mädchen zu kümmern. Dafür wird Tobias Sorge tragen. Mein Sohn, du gehst mit Klara! Nach außen hin soll es so aussehen, als wolltest du unterwegs ein paar Apotheker aufsuchen und ihnen unsere Arzneien vorstellen. Doch in dem Augenblick, in dem ihr das Reff zu schwer wird und sie aufgibt, wirst du ihren Part übernehmen. Zahl einem Fuhrmann einen halben Taler, damit er die Kleine wieder nach Hause bringt, und geh dann hurtig weiter. Ich will doch sehen, wie du dich als Buckelapotheker machst.« Nun hatte Just seine gute Laune wiedergefunden und lachte.
Magdalena schüttelte empört den Kopf. »Du kannst unseren Jungen doch nicht einfach so losschicken! Er ist das Reff nicht gewohnt. Es wird ihn drücken und schwer auf seinen Schultern lasten.«
»Das hoffe ich sogar!«, antwortete ihr Mann sichtlich zufrieden mit seiner Entscheidung.
Da Tobias Klara damals in Rudolstadt nicht daran gehindert hatte, dem Fürsten ihre Bitte vorzutragen, erschien es ihm gerecht, dass sein Sohn die Suppe auslöffeln musste, die ihnen das Mädchen eingebrockt hatte.
»Mein armer Junge!« Magdalena Just schlang die Arme um Tobias, so als wolle sie ihn nie mehr loslassen.
»Keine Sorge, Mutter! Du weißt doch, Unkraut vergeht nicht«, antwortete ihr Sohn lächelnd.
»Dem Lümmel tut es ganz gut, hinter deinem Schürzenzipfel hervorzukriechen und etwas von der Welt zu sehen«, setzte ihr Mann hinzu. Sichtlich ruhiger fuhr er fort: »Dann kann er beweisen, ob er zu mehr taugt, als Salben zu rühren und Zahlen aufzuschreiben. In meiner Jugend habe ich das Reff so leicht wie eine Feder empfunden und bin jeden Tag meine sieben Meilen gewandert, ohne auch nur ein Mal in Schweiß zu geraten. Mal sehen, wie Tobias zurechtkommt.«
Sein Sohn lächelte nur. Ein solcher Schwächling, wie sein Vater tat, war er wahrlich nicht. Zudem glaubte er eines mit Sicherheit ausschließen zu können, nämlich dass Klara so einfach aufgab. Sie war ein ebenso beherztes wie starrsinniges Mädchen und würde nicht nur seinen Vater überraschen, sondern auch alle anderen, die ihr diese Wanderung nicht zutrauten. Er sagte jedoch nichts dergleichen, sondern erklärte nur, dass er, wenn Klara nicht weitergehen wollte,
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