Die Wanderapothekerin 1-6
galt in erster Linie Albert, der immer stärker darauf pochte, das einzige männliche Wesen im Haushalt zu sein, und sich daher nichts mehr sagen lassen wollte.
Mit entschlossener Miene wuchtete Klara sich ihr Reff auf den Rücken. Der Wagner hatte es aus extra leichtem Holz für sie angefertigt, so dass sie die gleiche Menge an Arzneien mitnehmen konnte wie Alois Schneidt. Im Augenblick aber waren die Spanschachteln, die Flaschen und der Tonkrug, in den der am besten verkäufliche Balsam gefüllt werden sollte, noch leer. Dafür hatte sie ihre Ersatzkleidung, den gewachsten Kapuzenmantel, der sie gegen Regen schützen sollte, und den Mundvorrat für die nächsten Tage aufgeschnallt.
Auch ihre Kleidung war der langen Wanderung angemessen. An den Füßen steckten dicke Wollstrümpfe und derbe, doppelt genähte Schuhe, statt eines Kleides trug sie einen wadenlangen Lederrock und über dem Hemd ein mit Waid gefärbtes Mieder. Dazu kam ein Überrock, der denen der Männer glich, und ein breitkrempiger, schwarzer Hut.
Klara wusste, dass sie ein seltsames Bild bot, hoffte aber trotzdem auf eine erfolgreiche Reise. Auch sie nahm nun ihren Stock zur Hand, dessen Eisenspitze Schutz gegen Wölfe wie auch gegen aufdringliche Reisende versprach, und folgte dem Onkel, der bereits mehrere Dutzend Schritte vorausgeeilt war. Am Rand des Dorfes blieb sie noch einmal stehen, drehte sich um und winkte. Ihre Mutter hob nur kurz die Hand, während die kleine Liebgard mit beiden Armen wedelte und Albert es ihr nach kurzem Zögern gleichtat.
Noch nie war Klara länger als zwei Tage von ihrer Familie getrennt gewesen. Aber nun würde sie die Mutter und die Kleinen mehrere Monate lang nicht sehen. Bei dem Gedanken schossen ihr Tränen in die Augen. Am liebsten wäre sie zu ihnen zurückgelaufen und hätte die Wanderung gar nicht erst angetreten. Doch dann wäre ihr Onkel im Herbst am Ziel und würde den Schatz, den ihr Vater so lange gehütet hatte, an sich raffen. Dann aber würde ihre Base Reglind noch überheblicher auftreten, während sie selbst und die Mutter froh sein durften, wenn sie nicht als Mägde für die Verwandten arbeiten mussten.
»Niemals!«, stieß sie hervor und schritt mit neu erwachter Kraft hinter Alois Schneidt her.
3.
A uf dem Weg nach Königsee wechselten Klara und ihr Onkel kaum ein Wort. Alois Schneidt legte ein scharfes Tempo vor, dem das Mädchen nur mit Mühe zu folgen vermochte. Doch sie beschwerte sich nicht, sondern biss die Zähne zusammen und schaffte es, an seiner Seite zu bleiben. Als sie die Stadt erreichten, folgten ihnen etliche neugierige Blicke. Es hatte sich herumgesprochen, dass Klara von Fürst Ludwig Friedrich die Erlaubnis erhalten hatte, als Wanderapothekerin zu gehen. Während einige Männer über Klara spotteten, hatten die meisten Frauen Mitleid mit ihr. Neben ihrem baumlangen Onkel wirkte sie so klein und zierlich, dass niemand glaubte, sie könne das mit Arzneien und Essenzen gefüllte Reff nur ein paar Schritte weit tragen.
Einige Kinder liefen Klara und ihrem Onkel nach und sangen Spottlieder. Während Alois Schneidt die Kleinen wütend anschnaubte, dass sie verschwinden sollten, tat Klara so, als hörte sie nichts. Sie atmete jedoch hörbar auf, als sie Rumold Justs Anwesen erreicht hatten und das Hoftor hinter ihnen geschlossen wurde.
Der Laborant erwartete sie bereits. Zur Feier des Tages trug er seinen schwarzen Staatsrock, einen schwarzen Dreispitz und schwarze Kniehosen. Seine Strümpfe waren rot, und seine Schuhe wiesen echte Silberschnallen auf.
Klara empfand ihn als einschüchternd und versteckte sich hinter ihrem Onkel. Die fünf anderen Wanderapotheker in Justs Diensten starrten sie so durchdringend an, als hätte sie zwei Köpfe oder vier Beine. Nun erst begriff Klara so recht, worauf sie sich eingelassen hatte. Niemand würde sie ernst nehmen, und wahrscheinlich würde man auch nichts von ihr kaufen. Dann aber war das gesamte Geld, das der Amtmann im Auftrag des Fürsten für sie gesammelt hatte, ausgegeben, und sie würden im Herbst auf die Gnade des Onkels angewiesen sein. Bei dem Gedanken straffte sie den Rücken und trat hinter Alois Schneidt hervor.
Nun nahm auch Just sie wahr und verzog das Gesicht, als hätte er Essig getrunken. Dann aber zuckte er mit den Schultern. Der Fürst hatte ihm das Mädchen aufgenötigt, und er würde es in die Welt hinausschicken müssen. Jammern half da nichts.
»Ich sehe, ihr seid alle gekommen«, begrüßte er seine
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