Die Wanderapothekerin 1: Ein beherztes Mädchen (German Edition)
verlotterte alles.
Als er Reglind deswegen schelten wollte, eilte sie leichtfüßig auf ihn zu, umarmte ihn und küsste ihn auf beide Wangen.
»Du kommst heuer spät, Vater! Hast du mir etwas mitgebracht?«
Dem Charme des hübschen Mädchens vermochte er sich nicht zu entziehen. »Das habe ich, Reglind! Du bekommst es gleich, nachdem du den Schweinekoben ausgemistet hast.«
Jäh verlor sich der erfreute Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Ausmisten?«
Es klang so entsetzt, als hätte er sie eben zu einem Jahr Galeerenstrafe verurteilt.
Alois Schneidt wies mit seinem Stock auf das schmutzige Tier. »Es ist an der Zeit, dass es getan wird!«
Der Tadel ging an Reglind vorbei. Stattdessen warf sie einen finsteren Blick auf das Haus ihres Onkels. »Daran ist nur diese elende Klara schuld! Sie hatte mir versprochen, den Koben auszumisten, es aber nicht getan.«
Das war eine Lüge. Zwar hatte Reglind ihrer Base im Befehlston erklärt, sie solle den Dreck aus dem Koben wegschaffen, aber zur Antwort erhalten, sie habe selbst zwei Hände.
»Klara ist nun einmal ein faules Ding«, erklärte Alois Schneidt und wandte sich der Haustür zu.
Seine Frau hatte ihn kommen sehen und kam mit mehlverschmierter Schürze heraus. »Heuer hast du dir aber Zeit gelassen! Wir befürchteten schon, du wärst ebenso verschwunden wie dein Bruder und hättest uns im Stich gelassen«, schimpfte sie.
»Es war nicht meine Schuld, sondern die von Gerold«, erklärte ihr Mann.
»Der bekommt was von mir zu hören, sobald ich ihn sehe!« Fiene Schneidt bedachte das Anwesen ihrer Schwägerin ebenfalls mit einem finsteren Blick.
Um Alois Schneidts Mund zuckte der Anflug eines Lächelns. »Falls meine Vermutung stimmt, wird dir das kaum gelingen. Mein Neffe ist nämlich ebenso auf seiner Strecke verschwunden wie sein Vater. Die beiden sind vielleicht denselben Schurken zum Opfer gefallen.«
»Gerold ist tot?« Nun klang Fiene Schneidt doch ein wenig erschrocken.
Ihr Mann hob mit einer beschwichtigenden Geste die Rechte. »Ob er das ist, kann ich nicht sagen. Er ist auf alle Fälle nicht mehr aufgetaucht. Ich habe nach ihm gesucht, wie es meine Pflicht als Verwandter ist, aber nicht die geringste Spur entdeckt!«
In Wahrheit hatte er es sich auf dem Rückweg in Wirtshäusern gutgehen lassen, doch das ging seine Frau nichts an.
»Und was wird Johanna jetzt machen, nachdem sie neben dem Mann auch ihren ältesten Sohn verloren hat?«, fragte Fiene Schneidt neugierig. »Ihr Albert ist noch zu klein, um als Wanderapotheker zu gehen. Entweder sucht sie sich für Klara einen Mann, der das fürstliche Privileg übernehmen kann, oder sie verliert es!«
»Wenn sie das Reiseprivileg ihrer Familie einem Schwiegersohn überlässt, wird dieser es wohl kaum an Albert weitergeben, sobald der alt genug ist, um selbst das Reff tragen zu können«, wandte Reglind ein.
Sie gönnte es Klara nicht, vor ihr verheiratet zu werden, war sie selbst doch vier Monate älter als ihre Base und höchst neugierig auf das, was im Bett zwischen Mann und Frau geschah.
»Sobald ihr Kummer sie nicht mehr so arg drückt, werde ich mit ihr reden und zu einer Lösung kommen, die uns allen hilft.« Alois Schneidt bedauerte diese Worte sofort wieder, sagten sie doch schon zu viel über seine Pläne aus.
Die Gedanken seiner Frau gingen in eine andere Richtung. »Wir könnten mit ihr den Hof und das Land tauschen. Mir würde es in ihrem Haus besser gefallen als hier, und in ihrem Garten wächst auch etwas – nicht nur Steine wie bei uns.«
Daran hatte Alois Schneidt noch gar nicht gedacht. Er fand den Vorschlag durchaus bedenkenswert, denn so würde sich besser erklären lassen, weshalb die Schwägerin plötzlich zu ein wenig Geld gekommen war.
»Ich werde mit ihr darüber reden«, sagte er daher, stellte sein Reff in den Schuppen und ging ins Haus. Während er seinen Hut an den Haken hängte und den Rock auszog, wandte er sich an seine Frau, die ihm samt der Tochter gefolgt war.
»Tisch auf, Weib, denn ich habe Hunger!«
»Das übernehme ich!«, rief Reglind und hoffte, das versprochene Geschenk zu erhalten, ohne vorher den Schweinekoben ausmisten zu müssen.
2.
E s war ein trauriger Abend in Johanna Schneidts Heim. Klaras Mutter saß mit den Kindern in der Küche, die nur schwach von der zerfallenden Glut auf dem Herd erleuchtet wurde, und betete, dass Gott ein Einsehen hatte und ihr den Mann und den Sohn zurückgab.
»Ich wollte, ich wäre einige Jahre älter. Dann könnte ich
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