Die Wanderapothekerin 1: Ein beherztes Mädchen (German Edition)
gehen will, um mit Rumold Just zu sprechen. Er wird gewiss schon in Sorge sein, weil ich mich um mehrere Wochen verspätet habe. Auch will ich bei Just ein gutes Wort für dich einlegen, damit er dir deine Schulden stundet. Würde er das Geld sofort zurückfordern, müssten deine Kinder und du Haus und Hof verlassen und als Bettler über die Straßen ziehen.«
»Das möge unser Herrgott im Himmel verhüten!«, rief Johanna erschrocken.
»Darum will ich ja mit Just reden. Wenn ich könnte, würde ich dir das Geld vorstrecken. Aber ich nehme auf meiner Handelsstrecke gerade so viel ein, dass mein Weib, meine Tochter und ich unser bescheidenes Auskommen haben.«
Der Onkel klang bedrückt, doch Klara musste an etliche Aussprüche ihres Vaters denken, der seinem Bruder immer wieder geraten hatte, sparsamer zu leben. Würde Alois Schneidt sein Geld unterwegs weniger für Wein und Braten ausgeben und auch daheim sorgsamer wirtschaften, hätte er genug Geld, um dem Laboranten Just wenigstens einen Abschlag für sie zahlen zu können. Den Rest würden ihre Mutter und sie durch Kräutersammeln und andere Zulieferdienste abgelten. Die ganze Summe würden sie auf diesem Weg jedoch niemals aufbringen können.
Während Klara in ihre Überlegungen verstrickt war, nickte die Mutter. »Rede mit Herrn Just, Alois, und sage ihm, wie schwer uns der Verlust meines Mannes und das Verschwinden meines Sohnes getroffen haben. Er muss doch ein mitleidiges Herz im Busen haben.«
»Das wollen wir hoffen, Schwägerin! Immerhin ist Just ein reicher Mann und hoch angesehen in Königsee und sogar in Rudolstadt. Selbst der Hofapotheker Seiner fürstlichen Hoheit bezieht einen Teil seiner Arzneien von ihm.«
Seinen Worten zum Trotz sah Alois Schneidt nicht so aus, als hege er viel Hoffnung. Mit einer in Klaras Augen allzu fordernden Geste legte er die Hand auf die Schulter ihrer Mutter.
»Ich befürchte, es wird dir nichts anderes übrigbleiben, als auf meinen Vorschlag einzugehen.«
Johanna Schneidt nickte, wenn auch ihre Worte abwehrend klangen. »Aber mein Mann wollte es doch nicht! Er hat mir sogar streng verboten, dieses Zeug auch nur anzusehen. Es soll für ewig dort bleiben, wo es ist, hat er gesagt. Versteh mich doch! Es ängstigt mich nicht wenig, gegen seinen Willen zu handeln.«
»Tust du es nicht, bleibt dir und deinen Kindern nur der Bettelstab!«, antwortete Alois Schneidt grob.
Seine Schwägerin wich einer klaren Antwort aus. »Wir reden darüber, wenn du aus Königsee zurückgekehrt bist.«
Alois Schneidt sah trotzdem zufrieden aus. Nur selten fällt eine Festung beim ersten Sturm, sagte er sich. Meist musste man sie ausdauernd beschießen, und das galt auch für seine Schwägerin. Wenn er lange genug drängte und ihr das Schicksal in schwärzesten Farben ausmalte, würde sie nachgeben. Nun war schließlich kein Gerold mehr da, der seiner Mutter einreden konnte, nicht auf ihn zu hören.
Bei dem Gedanken wanderte Alois Schneidts Blick zu Klara hinüber. Von ihrer Art her glich sie seinem Bruder am meisten. Zwar hatte sie bislang hinter Gerold zurückstehen müssen, aber es war möglich, dass Johanna nun sie um Rat fragte. Für ihn hieß das, die Sache zu Ende zu bringen, bevor der Einfluss des Mädchens auf die Mutter zu groß wurde. Von Klara würde er das Gold niemals erhalten. Dieses dumme Ding war glatt in der Lage, es dem fürstlichen Amtmann auf den Tisch zu legen, in der Hoffnung, einen gewissen Anteil als Belohnung zu erhalten.
»Das darf nicht geschehen!«, murmelte er.
»Was darf nicht geschehen?«, fragte Johanna.
»Dass Just dich und die Kinder auf die Straße setzen lässt«, erwiderte Alois Schneidt rasch. »Ich werde ihm ins Gewissen reden und notfalls zu unserem Pastor gehen, dass dieser auch ein gutes Wort für euch einlegt.«
»Wenn Herr Just nicht mit sich reden lässt, werde ich nach Rudolstadt gehen und mich vor die Füße Seiner fürstlichen Hoheit werfen, damit er sich meiner und meiner armen Waisen annimmt!«
»Bei Gott, das ist ein weiter Weg und beileibe nicht ungefährlich! Es gibt da Stellen im Wald, die ein ehrlicher Christenmensch meiden sollte«, wandte Alois Schneidt erschrocken ein.
Wenn seine Schwägerin wirklich in die einen guten Tagesmarsch entfernte Residenzstadt ging und den Fürsten bei guter Laune antraf, konnte dieser ihr durchaus eine Handvoll Taler geben lassen. Damit aber wäre seine Aussicht dahin, in absehbarer Zeit an den Schatzanteil seines Bruders zu gelangen.
»Der
Weitere Kostenlose Bücher