Die Wanderapothekerin 1: Ein beherztes Mädchen (German Edition)
versucht hatten, Görch zu überwältigen. Ihr fiel nur auf, dass seine Kniehosen und der braune, einem Bürger angemessen schlichte Rock arg gelitten hatten. Auf einen Hut hatte er verzichtet, und so brauchte er sich nicht über seinen Verlust zu ärgern, wie zwei andere es lautstark taten.
»Was ist jetzt?« Tobias’ Stimme riss Klara aus ihrem Sinnieren, und sie sah erst jetzt, dass er die Hand nach ihr ausgestreckt hatte. Rasch ergriff sie diese und ließ sich aufs Pferd ziehen.
Nie hätte sie sich vorstellen können, dass ein Pferderücken so rutschig war, daher klammerte sie sich ängstlich an Tobias. Wie würde das erst sein, wenn das Pferd sich in Bewegung setzte?, fragte sie sich besorgt und versuchte, sich bequemer zu setzen.
Es ging dann doch, denn der Amtmann, der die Spitze übernahm, ließ sein Pferd nur im Schritt gehen. Trotzdem kamen sie gut voran. Zwei Stunden später zog die Nacht herauf, und die Männer entzündeten die mitgebrachten Fackeln, um den Weg auszuleuchten.
Klara spürte nun eine Müdigkeit, die sie zu überwältigen drohte, kämpfte aber dagegen an, weil sie Angst hatte, vom Pferd zu fallen und sich die Knochen zu brechen. Wir könnten irgendwo Rast machen oder gar übernachten, dachte sie missmutig, während Tobias fröhlich vor sich hin pfiff und sich freute, dass es Klara gelungen war, den Köhler zu überlisten.
17.
I rgendwann schlief Klara ein, klammerte sich aber noch im Schlaf an Tobias fest und wachte erst auf, als dieser sein Pferd zügelte und sie anstupste.
»Wir sind da!«, sagte er.
»Da? Wo?«, fragte Klara verwirrt, weil sie mitten aus einem Traum hochgeschreckt war, in dem fremde Soldaten ihren Bruder mitschleppten und sie verzweifelt versuchte, ihn zu befreien. Erst allmählich begriff sie, dass sie nicht Gerold auf seiner Strecke als Wanderapotheker begleitet hatte, sondern sich in einem gepflasterten, von Mauern umgebenen Hof befand und noch immer hinter Tobias auf dessen Pferd saß.
»Ich steige jetzt ab und hebe dich herunter«, sagte er, schwang das linke Bein über den Hals des Pferdes und stand so rasch auf dem Boden, dass Klara mit dem Schauen kaum mitkam. Als Nächstes fasste er sie unter den Armen und hob sie mit einer Leichtigkeit vom Pferd, die sie überraschte. Ganz so weichlich scheint er doch nicht zu sein, sagte sie sich.
Ihre Gedanken wurden durch das Erscheinen mehrerer Männer abgelenkt. Der Amtmann hatte einen Boten vorausgeschickt und sowohl dem Richter wie auch dem Fürsten selbst mitteilen lassen, dass der Unhold der Teufelsschlucht gefangen worden sei.
Fürst Ludwig Friedrich, ein Mann mittleren Alters und mit einer stattlichen Figur, ließ es sich nicht nehmen, die Gruppe höchstselbst zu empfangen. Zwei Räte begleiteten ihn und musterten den rußigen Köhler mit sichtlicher Zufriedenheit. Der Fürst bedachte Görch mit einem grimmigen Blick, ehe er sich an den Amtmann wandte.
»Er hat lange gebraucht, dieses Untier zu fangen! Wie Er genau weiß, hat mir das Geschwätz vom Teufel und seinen Umtrieben in Seinem Amtsbezirk nicht gefallen. Ich hätte von Ihm und seinen Bütteln mehr Verstand und Mut erwartet.«
»Verzeiht, Euer Hoheit, doch ich habe getan, was ich konnte«, rief der Amtmann in dem Versuch, sich zu rechtfertigen.
»Das war zu wenig! Es brauchte ein beherztes Mädchen, um diesen Schurken zu entlarven. Brav, mein Kind!« Ludwig Friedrich tätschelte zuerst Dietas, und als Tobias unauffällig auf Klara zeigte, auch deren Wange.
»Das ist Klara, Euer Hoheit, Tochter des braven Wanderapothekers Martin Schneidt, der im letzten Jahr auf seiner Strecke verschollen ist. Sie hat den Köhler überlistet«, sagte Tobias, der nicht wollte, dass die zu erwartende Belohnung an die falschen Personen ging.
»Das ist brav! Sehr brav!«, lobte der Fürst Klara und tätschelte auch ihre andere Wange.
Klara knickste etwas ungeschickt und sah dann den Fürsten verzweifelt an. »Ich war auf dem Weg zu Euch, hoher Herr, um Euch um Gnade anzuflehen. Im letzten Jahr kam mein Vater nicht mehr von seiner Wanderung zurück, und heuer ist mein Bruder, der die Strecke übernommen hatte, ebenfalls verschollen. Meine Mutter und meine jüngeren Geschwister sind nun allein und hilflos. Wir können die Schulden, die wir bei dem Laboranten Just machen mussten, damit mein Bruder als Wanderapotheker gehen konnte, nicht mehr bezahlen. Auch sind demnächst die erhöhten Steuern fällig! Wenn Ihr Euch unser nicht erbarmt, werden wir unsere Heimat
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