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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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ERSTER TEIL
1
    Heli rechte mechanisch das gelbe Ahornlaub zusammen, während ihr Blick auf das Auto geheftet war, das auf ihr Grundstück einbog. Neben dem Fahrer meinte sie das Gesicht eines fremdländisch wirkenden Mannes zu erkennen.
    Schnell kratzte sie noch die untersten, schon am Rasen festgefrorenen Blätter auf einen Haufen, dann lehnte sie den Rechen an einen Baum und ging zum Hintereingang des Hauses. Sie trug den verschossenen blauen Anorak, den sie nur noch bei der Gartenarbeit benutzte, wenn niemand es sah. Der klare Oktobertag neigte sich dem Abend zu, es tat gut, die frische Luft einzuatmen, und das leicht gefrorene Gras knisterte unter Helis Füßen.
    Wer mochte da gekommen sein?, fragte sie sich. Vielleicht Hausierer, die Bilder verkaufen wollten. Sie hatte es gerade bis in den Windfang geschafft, als es auch schon klingelte. Intuitiv richtete sie sich die Haare, dann eilte sie zur Tür.
    Gerade als sie die Haustür, die nach außen aufging, öffnen wollte, wurde sie ihr brutal aus der Hand gerissen, und zwei Männer mit Sturmmasken über den Gesichtern drangen ins Haus ein.
    Einer der beiden hielt einen schwarzen Gegenstand aus Metall in die Höhe. Heli begriff, dass sie direkt in den Lauf einer Pistole blickte. Als der Gefängniswärter Mikko Räsänen im Flügel B der Haftanstalt Riihimäki die Metalltreppe hinaufstieg, baumelte die Chipkarte für die Zugangskontrolle, die er um den Hals hängen hatte, hin und her. Die letzten roten Sonnenstrahlen des Tages fielen durch das schmale vergitterte Fenster auf den blaugrünen Fußboden und die helle Wand des gerade erst von Grund auf sanierten Gebäudes. Mikkos Telefon klingelte, auf dem Display erschien der Name seiner Frau.
    Heli rief selten während der Arbeitszeit an, und schon gar nicht um diese Zeit am späten Nachmittag. »Ja?«, meldete sich Mikko leicht verwundert. »Bist du alleine?«
    Helis Tonfall ließ Mikko zusammenfahren. »Was ist passiert?« »bist du alleine?«, fragte Heli noch einmal. »Ja. Was ist denn ...« »Zwei Männer sind gekommen... Ausländer. Ich sitze in ihrem Wagen ...« Helis Stimme brach. »Großer Gott, ich kann das nicht...« Heli klang ungeheuer verängstigt und schockiert. Mikko drückte das Telefon fester ans Ohr.
    Heli fuhr mit weinerlicher Stimme fort: »Sie sind bewaffnet. Du sollst in zehn Minuten mit dem serbischen Gefangenen zum Tor B kommen. Wenn ihr nicht da seid, bringen sie mich um. Die Polizei darf nicht alarmiert werden.«
    Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
    Mikko war kaum fähig, zu atmen. Lähmende Panik erfasste ihn, und für einen Moment glaubte er, ohnmächtig zu werden.
    Mit aller Gewalt riss er sich zusammen, dann rannte er los. An der nächsten Tür verlangsamte er jedoch den Schritt und ging normal weiter, er musste sich zwingen, klar zu denken. Der serbische Oberst war in Den Haag verurteilt worden und saß seine Strafe in Finnland ab - seiner Meinung nach unschuldigerweise. Offenbar waren noch mehr Leute dieser Ansicht.
    Hinter den hellgrauen Metalltüren hörte man gedämpfte Stimmen, Ausrufe, Flüche, Schüsse aus dem Fernseher, Musik aus unterschiedlichen Sendern. Hip-Hop und finnische Schlager vermischten sich zu einer absurden Kakophonie.
    Mikko wählte die Kurzwahlnummer des Gefängnisdirektors.
    Dabei sah er auf die Uhr und bog auf dem hallenden Gang in die Abteilung ab, wo Jankovic inhaftiert war.
    »Räsänen hier«, sagte Mikko zum Gefängnisdirektor, einem jungen, eifrigen Mann namens Laine. »Meine Frau ist in der Gewalt von zwei bewaffneten Männern. Sie wird umgebracht, falls Jankovic nicht in fünf Minuten vor Tor B steht.«
    Sicherheitshalber hatte Mikko das Ultimatum verkürzt.
    »Was redest du da?«, fuhr Laine ihn an.
    »Ich bin gleich in der Zelle des Obersts. Wir marschieren direkt hinaus. Gib der Pforte die entsprechenden Anweisungen.« Eine Sekunde Stille. »In Ordnung.«
    »Auf keinen Fall darf die Polizei alarmiert werden«, sagte Mikko. »Keine Sorge, ich mache keine Dummheiten.«
    Mikko beschleunigte seine Schritte wieder, bis er beinahe rannte. Laine war neu. Und diensteifrig. Aber er wäre doch wohl nicht so verrückt, den Helden zu spielen? Natürlich nicht. Er musste begreifen, dass Helis Sicherheit auf keinen Fall gefährdet werden durfte.
    Pekka A. Laine, der Direktor der Haftanstalt Riihimäki, stand vor dem Grundriss seiner Einrichtung. Mit dem Finger fuhr er den Weg von Jankovics Zelle zu Tor B entlang. Drei Minuten, schätzte er und schaltete die

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