Die Wanderapothekerin: Alle Teile des Serials in einem Band (German Edition)
wenn er einen anderen Mann so zuschanden schlug.
»Brauchst du etwas, damit du die Verletzung leichter ertragen kannst?«, fragte sie mitleidig.
»Ich habe mich daran gewöhnt«, antwortete der Mann und zog die Binde wieder vor die Augenhöhle. Danach verschwand er wie ein Schatten und ließ die Frauen allein zurück.
Klara sah ihm nach und rieb sich die Stirn. Ihr gefiel der Mann nicht, und sie spürte, dass es der Herrin und auch deren Vertrauten nicht anders erging.
»Obwohl seine Treue erprobt ist, schaudert es mich jedes Mal, wenn ich Thomas sehe«, sagte die Gräfin mit schwacher Stimme und keuchte dann auf. »Schnell, die Bettschüssel. Ich …«
Es war zu spät. Klaras Abführmittel begann zu wirken, und so blieb der Zofe nichts anderes übrig, als ihre Herrin mit Klaras Hilfe zu entkleiden, zu waschen und ihr ein neues Nachthemd überzuziehen. Dabei wunderte Klara sich erneut über die zarte, glatte Haut der Gräfin, die so gar nicht zu einer Kranken passte.
Die Mamsell reinigte unterdessen das Bett. Zwar hätte sie auch eines der Zimmermädchen rufen und diesem befehlen können, es zu tun. Doch die Zimmerflucht der Herrin betraten nur sie und die Zofe. Selbst Thomas hätte nicht einfach hereinplatzen dürfen. Aber keine der Frauen hinterfragte, warum er es getan hatte, denn ihr Interesse galt einzig und allein der Schwangeren, die bald wieder in einem sauberen und mit Parfüm besprühten Bett liegen sollte.
4.
A uch wenn Klara gegen das Gift, welches in Gräfin Griselda wütete, nichts unternehmen konnte, so gelang es ihr doch, deren Zustand ein wenig zu verbessern. Da sie zudem sanftere Hände besaß als die Zofe oder die Mamsell, bestimmte Letztere sie zur Pflegerin ihrer Herrin.
Klara schüttelte den Kopf. »Aber ich kann doch hier nicht verweilen! Herr Just erwartet, dass ich meine Strecke abgehe und seine Arzneien verkaufe.«
»Ein oder zwei Wochen wirst du wohl hierbleiben können«, gab die Mamsell scharf zurück.
Ihr Blick verriet ihre Überzeugung, dass die Gräfin wohl nicht länger leben würde, und sie wollte ihr die letzten Tage so leicht wie möglich machen. Dazu gehörte auch, dass Klara die Herrin pflegte und deren Gedanken mit ihren Erzählungen beschäftigte. Wie schlimm es war, wenn man nur an den Tod dachte, hatte die Mamsell an der alten Gräfin gesehen.
Klara überlegte, wie sie sich dieser Verpflichtung entziehen konnte. Als sie jedoch in die traurigen Augen der Schwangeren blickte, brachte sie es nicht übers Herz, sich heimlich davonzuschleichen.
»Was ist mit Martha?«, fragte sie.
»Die bekommt eine Arbeit zugewiesen«, gab die Mamsell kurz angebunden zurück.
»Ich möchte mit ihr reden!«
Die Mamsell überlegte kurz und nickte. »Gut, ich werde sie nach draußen holen. Du kannst vom Fenster des Nebenzimmers aus mit ihr sprechen.«
Mehr, das begriff Klara, würde sie nicht erreichen. Daher nickte sie, träufelte ein wenig Pfefferminzöl auf ein Tuch und reichte es der Gräfin. »Hier, damit Ihr etwas freier atmen könnt!«
»Danke! Dieser Duft belebt mich!« Die Gräfin lächelte zum ersten Mal, seit Klara hier war.
Die Mamsell bedachte das Mädchen mit einem anerkennenden Blick. Zu viel Hoffnung wollte sie nicht in Klara setzen, doch vielleicht gelang es der Wanderapothekerin, den Tod ihrer Herrin so lange hinauszuzögern, bis deren Kind zur Welt gekommen war.
Nun verließ die Mamsell die Zimmerflucht der Gräfin und trat kurz darauf in die Kammer, in der Martha mit missmutiger Miene saß.
»Was ist mit Klara? Warum darf ich nicht zu ihr?«, fragte diese sofort.
»Die Apothekerin kümmert sich um Ihre Erlaucht. Bis ihr weiterziehen könnt, wirst du drüben bei den Wirtschaftsgebäuden mithelfen. Schlafen kannst du hier. Und jetzt komm mit! Klara will dich sehen.«
Martha sprang auf und eilte zur Tür. Als sie jedoch den Flur entlang zum Haupttrakt gehen wollte, hielt die Mamsell sie auf.
»Halt, wir gehen in den Park! Du wirst von dort aus mit deiner Freundin sprechen.«
Achselzuckend drehte Martha sich um und folgte der Bediensteten nach draußen. Zwar hatte sie den Park bereits durch das Fenster gesehen, konnte das Gelände aber nun erst jetzt richtig betrachten. Mit feinem Kies bestreute Wege führten zwischen Blumenrabatten und seltsam geformten Bäumen hindurch, deren Kronen Kugeln, Pyramiden oder Würfel bildeten. Ebenso kunstvoll beschnittene Hecken und Büsche trennten die einzelnen Teile des Parks voneinander, und überall standen Statuen
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