Die Wanderhure
sich über einem stattlichen Bauch, an den kurzen, dicken Fingern blinkten mehrere Goldringe mit Halbedelsteinen, die zu tragen ein Graf sich nicht hätte schämen müssen, und auch die Fettwülste unter den Augen, am Kinn und im Nacken zeugten davon, dass der Mann den Freuden der Tafel, insbesondere des Weins, mit fortschreitendem Alter mehr und mehr zugetan war.
Eben hob Matthis Schärer erneut den Pokal und trank seinen Gästen zu. Im Gegensatz zu den anderen nippte Ruppertus nur. Obwohl der Nachmittag noch nicht dem Abend gewichen war, konnte er Meister Matthis ansehen, wie viel dieser schon getrunken hatte. Das breite, etwas derbe Gesicht war rot angelaufen, und die grauen Augen, die sonst scharf und auf jeden Vorteil bedacht in die Welt blickten, lagen nun stumpf und blutunterlaufen in ihren Höhlen.
Ruppertus’ Lächeln verstärkte sich, als er Meister Matthis zwei große, dicht beschriebene Pergamentblätter hinschob. »Ich habe die Verträge ganz nach deinen Wünschen aufgesetzt, Schwiegervater. Bitte überzeuge dich, dass alles in deinem Sinne festgeschrieben wird.«
Der Junge ist so beherrscht, als ginge es um den Kauf eines Ballen Stoffes und nicht um seine Hochzeit, dachte Meister Matthis bewundernd. Einem solchen Mann konnte er seine Tochter undseinen Reichtum getrost anvertrauen. Er nahm das Pergament und las es so aufmerksam durch, wie es sich für einen guten Kaufmann gehörte. Er wurde nicht enttäuscht. Ruppert hatte sich beinahe wörtlich an ihre mündlichen Vereinbarungen gehalten. Sein Blick flog über den Absatz, der ihn verpflichtete, dem Magister seine Tochter als tugendhafte und unberührte Jungfrau zu übergeben. Dies konnte er unbesorgt unterschreiben, denn seine Marie war immer ein braves Kind gewesen. Zudem hatte Wina scharf darauf geachtet, dass ihr kein Bursche zu nahe gekommen war.
Meister Matthis klopfte dem Magister anerkennend auf die Schulter. »Ausgezeichnet, Schwiegersohn. Wenn du nichts dagegen hast, können wir den Vertrag jetzt unterzeichnen.«
»Es wäre mir eine Freude.« Magister Ruppertus neigte das Haupt und breitete dann beide Ausfertigungen vor Meister Matthis aus. Dieser winkte seinen Schreiber zu sich, der die ganze Zeit stumm in einer dunklen Ecke gesessen hatte. Linhard war ein großer, hagerer Mann mit dünnen, hellblonden Haaren und einem schmalen, scharf geschnittenen Gesicht. Sein devotes Benehmen seinem Brotherrn gegenüber wirkte auf aufmerksamere Beobachter wie Hohn. Meister Matthis bemerkte es jedoch nicht, sondern hielt große Stücke auf den Mann.
»Bringe Feder und Tinte!«
Der Schreiber verbeugte sich vor Meister Matthis wie vor einem edlen Herrn und eilte ins Kontor hinüber. Kurz darauf kehrte er mit einem kleinen Tablett zurück, auf dem er ein silbernes Tintenfass, einen ebenfalls silbernen Behälter mit Schreibfedern, ein Federmesser und ein Kästchen mit Siegelwachs säuberlich angeordnet hatte.
Meister Matthis ergriff eine der Federn, spitzte sie an und tauchte sie in das Tintenfass. In diesem Augenblick war er ganz Geschäftsmann, der sich durch nichts aus der Fassung bringen ließ. Er überflog noch einmal die wichtigsten Passagen des Heiratsvertragesund setzte seinen Namenszug auf das Pergament. Dann machte er Siegelwachs an einer Kerze heiß, ließ es sauber unter seinen Namenszug tropfen und drückte seinen Siegelring hinein.
Linhard reichte das Tablett mit den Schreibutensilien nun Magister Ruppertus. Der Advokat studierte den Vertrag, den er selbst aufgesetzt hatte, mit einer Sorgfalt, als müsse er nach versteckten Fallen suchen. Schließlich unterzeichnete und siegelte auch er den Vertrag und reichte ihn an den Böttcher Jörg Wölfling weiter, der ebenso wie Meister Gero Linner und Matthis’ Schwager Mombert Flühi die Gültigkeit der Abmachung mit ihren Unterschriften bezeugen sollten.
Meister Jörg studierte das Schriftstück beinahe ungläubig. Stück für Stück war hier die reiche Mitgift der Braut aufgelistet worden und im Weiteren auch der gesamte Besitz des Brautvaters, der nach dessen Ableben auf seine Tochter übergehen sollte. Der Böttcher ärgerte sich, weil er nicht früher daran gedacht hatte, Meister Matthis seinen ältesten Sohn Peter als Eidam anzubieten. Der Junge war zwar vier Jahre jünger als das Mädchen, doch bei einer von beiden Vätern gewünschten Verbindung fiel so etwas nicht ins Gewicht. Jetzt, da Matthis Schärer den Magister mit offenen Armen empfangen hatte, war es für solche Überlegungen
Weitere Kostenlose Bücher