Die Wanderhure
Mädchen griff sichtlich nervös nach der Kanne und füllte den Pokal, den ihr Vater ihr entgegenstreckte. Auch die anderen Gäste tranken aus und ließen sich ihre Becher erneut füllen.
»Du besitzt einen ausgezeichneten Wein, Meister Matthis. Einen besseren trinkt selbst Bischof Otto nicht, meint Ihr nicht auch, Herr Magister? Da sagt man nicht Nein, wenn er einem angeboten wird.« Meister Jörg trank mit sichtlichem Genuss und ließ sich noch einmal nachschenken.
»Der Weinkeller Seiner Eminenz ist mit guten Weinen wohl gefüllt, aber diesen Tropfen dürfte auch er zu schätzen wissen.«
Magister Ruppertus hielt es für an der Zeit, die Anwesenden noch einmal an seine guten Beziehungen zum Bischofshof zu erinnern.
Diese waren den anderen gut bekannt, dennoch nickten sie ehrfürchtig. Meister Matthis schwoll vor Stolz, bestätigte diese Tatsache doch, dass er keine bessere Wahl für seine Tochter hätte treffen können.
Marie füllte die Becher, ohne den Mann anzusehen, mit dem sie ihr weiteres Leben teilen würde. Sie hätte Liebe für ihn empfinden müssen oder zumindest Dankbarkeit, weil er sie über ihren Stand hinaushob. Stattdessen wurde er ihr immer unsympathischer, und sie hätte sich am liebsten ihrem Vater zu Füßen geworfen und ihn angefleht, den Magister abzuweisen, aber dafür wares jetzt zu spät. Marie sah die Verträge, die sie an den Magister banden, unterschrieben auf dem Tisch liegen. Das Wachs der Siegel glich verschmiertem Blut, sie musste den Blick abwenden. Mit gesenktem Kopf bediente sie die Männer, bis Holdwin und Linhard zurückkehrten. Dann verließ sie den Raum mit einem kleinen Knicks, der mehr den Freunden ihres Vaters als ihrem Bräutigam galt.
Meister Jörg sah ihr mit glänzenden Augen nach. »Eure Tochter ist ein selten schmuckes Ding. Da muss es dem Herrn Magister vor Vorfreude ja direkt eng in der Hose werden.«
Der Leinweber hatte dem guten Wein ebenfalls kräftig zugesprochen und gab nun eine Zote von sich, die die anderen zum Lachen brachte. Ruppert verzog jedoch keine Miene, sondern ließ die schlüpfrigen Anspielungen auf die Hochzeitsnacht gelassen über sich ergehen. Hie und da strich er sich über das Kinn, so als wären seine Gedanken mit etwas ganz anderem beschäftigt.
III.
D ie Männer saßen noch zusammen und feierten, als Marie und die Mägde längst im Bett lagen. Den anderen Gästen fiel nicht auf, dass der Magister nur an seinem Becher nippte, während sie sich ein ums andere Mal nachschenken ließen. Meister Jörgs Zunge war so schwer geworden, dass seine Worte kaum noch zu verstehen waren, aber das hinderte ihn nicht, langatmige Anekdoten zu erzählen.
»Ihr müsst zugeben, Ihr hättet es schlechter treffen können als mit meiner Nichte«, sagte Meister Mombert zu Ruppertus, während er ihm den Arm um die Schulter legte und ihn an sich zog. »Wenn ich Euch einen Rat geben darf, so als erfahrener Mann zu einem jüngeren, dann …« Er kam nicht mehr dazu, seine Weisheiten an den Mann zu bringen, denn im selben Augenblick pochte jemand heftig an das Hoftor.
»Ich gehe nachsehen«, rief Linhard und verließ den Raum, ehe sein Herr reagieren konnte.
Kurze Zeit später kehrte er ganz außer Atem zurück. »Herr Magister, unten ist ein Mann, der dringend mit Euch sprechen will.«
»Warum hast du ihn nicht mit hochgebracht?«, fragte Meister Matthis ärgerlich.
Linhard zitterte am ganzen Körper, als wäre er einem Gespenst begegnet. »Der Mann will den Herrn Magister unter vier Augen sprechen.«
»Wenn dem so ist, muss ich wohl hinuntergehen.« Ruppert stand auf und nahm seinen Mantel vom Haken, um sich gegen die Kühle der Nacht zu schützen. Während sein Schritt auf der Treppe verklang, blickten sich die übrigen Gäste fragend an.
»Es wird doch nicht ein Bote seines Vaters gekommen sein, um ihm die Heirat mit Eurer Tochter zu verbieten?« Das schiefe Grinsen des Leinwebers zeigte deutlich, wie sehr ihm diese Wendung der Dinge gefallen würde.
Meister Matthis wischte diese Möglichkeit mit einer heftigen Handbewegung beiseite. »Wir haben den Ehe- und Erbvertrag unterschrieben und besiegelt, also muss Magister Ruppertus meine Marie morgen heiraten.«
Sein Schwager Mombert nickte bestätigend. »Magister Ruppertus wäre auch dumm, einen Rückzieher zu machen. Schließlich bringt ihm meine Nichte mehr Güter in die Ehe, als Graf Eberhard von Württemberg seiner Tochter Ursula als Mitgift gegeben hat. Und deren Bräutigam war immerhin der
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