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Die Waschmaschinentragödie

Die Waschmaschinentragödie

Titel: Die Waschmaschinentragödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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daß sich dieses Individuum selber geboren hat – und damit bereiten wir uns die fürchterlichsten Schwierigkeiten, denn in unseren Gesetzen ist so etwas nicht vorgesehen, obwohl es heißt; nullum crimen sine lege! Deshalb schlage ich vor, zunächst dem berühmten Kenner des internationalen Rechts Professor Pingerling das Wort zu erteilen.«
      Der ehrwürdige Jurist wurde mit herzlichem Beifall begrüßt, als er ans Podium trat. »Meine Herren!« sagte er mit rüstiger Greisenstimme. »Untersuchen wir zunächst, wie man einen Staat gründet. Man kann ihn, wie Sie wissen, auf verschiedene Weise ins Leben rufen. Unser Vaterland war einst eine englische Kolonie, erklärte dann seine Unabhängigkeit und konstituierte sich zu einem Staat. Trifft das auch auf Mattrass zu? Die Antwort lautet: Wenn Mattrass bei Sinnen war, als er sich in einen Roboter verwandelte, kann seine staatsförderliche Tat als juristisch einwandfrei angesehen werden, allerdings müsste man seine Nationalität als elektronisch bezeichnen. Wenn er hingegen nicht bei Sinnen war, dann kann sein Schritt keine rechtliche Anerkennung finden!«
      An dieser Stelle erhob sich ein weißhaariger Greis, offensichtlich noch bejahrter als sein Vorredner. »Hohes Ger... Verzeihung – meine Herren! Gestatten Sie mir folgenden Einwand: Selbst wenn wir annehmen, Mattrass sei unzurechnungsfähig gewesen, können wir nicht ausschliessen, daß seine Nachkommen zurechnungsfähig sind. Das würde bedeuten, da8 der Staat, der zunächst nur als das Produkt eines kranken Hirns gegründet wurde und somit den Charakter eines krankhaften Symptoms besaß, später objektiv, das heißt de facto, zu existieren begann – allein deshalb, weil sich seine elektronischen Bürger zu ihm bekannten. Da aber niemand den Bürgern eines Staates, die ja immerhin sein legislatives System darstellen, verbieten kann, auch die unberechenbarste Obrigkeit anzuerkennen – aus den Erfahrungen der Geschichte wissen wir, daß das schon mehrmals geschah –, impliziert somit die Existenz des Staates de facto seine Dejure-Existenz!«
      »Entschuldigen Sie, ehrenwerter Opponent«, warf Professor Pingerling ein, »Mattrass war immerhin unser Bürger, also...«
      »
      Was tut’s?« rief der leidenschaftliche Greis. »wir können Mattrass’ Staatsgründung anerkennen oder nicht! Erkennen wir an, daß ein souveräner Staat entstanden ist, dann werden unsere Ansprüche hinfällig. Erkennen wir das nicht an, dann müssen wir uns darüber einigen, ob wir es wenigstens mit einer juristischen Person zu tun haben oder nicht. Wenn nicht, wenn wir keine juristische Person vor uns haben, dann existiert das ganze Problem nur für die Angestellten des kosmischen Reinigungsbetriebes, dann gibt es im Nebelfleck des Krab nur einen Haufen Schrott – und unsere Versammlung hat überhaupt nicht darüber zu beraten. Betrachten wir das Gebilde dagegen als juristische Person, dann ergibt sich eine andere Frage. Das kosmische Recht sieht die Möglichkeit einer Verhaftung vor, die Festnahme einer juristischen und physischen Person auf einem Planeten oder an Bord eines Schiffes. An Bord eines Schiffes befindet sich der sogenannte Mattrass nicht, eher schon auf einem Planeten. Wir müssen uns um seine Extradiktion bemühen – aber wir haben niemanden, an den wir uns wenden können. Außerdem ist der Planet, auf dem er verweilt, er selber. So gesehen, stehen wir vor einem Nichts, denn wir müssen die Angelegenheit von dem einzigen Standpunkt aus betrachten, der für uns bindend ist, das heisst vom Standpunkt Seiner Majestät des Rechts. Mit einem juristischen Nichts pflegt sich aber niemand zu befassen, weder die Strafrechtler noch die Verwaltungsrechtler, weder die Völkerrechtler noch die Verfasser irgendwelcher Vorschriften zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung. Die Ausführungen des ehrenwerten Professors Pingerling können das Problem nicht lösen, weil es das Problem gar nicht gibt!«
      Der Greis nahm Platz. Er hatte das Hohe Haus mit seiner Schlussfolgerung sichtlich schockiert. Sechs Stunden lang ging es so weiter. Ich hörte mir noch an die zwanzig Redner an.
      Sie alle sprachen logisch exakt und bemühten sich, das eine oder das andere zu beweisen - daß Mattrass existiere, daß er nicht existiere, daß er einen Roboterstaat gegründet habe oder vielmehr einen Organismus, der sich aus Robotern zusammensetze, dass Mattrass auf den Schrotthaufen gehöre, weil er gegen eine Reihe von Gesetzen

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