Die Weisse Massai
ich an die Tür und bete, daß Roberto öffnen wird. Nach kurzer Zeit steht er da und starrt uns entsetzt an. In knappen Sätzen erkläre ich den Vorfall und bitte ihn, mich sofort nach Maralal zu bringen. Es gehe um Leben und Tod. Roberto ringt seine Hände und beteuert, dies dürfe er nicht. Er muß noch mehr als zwei Monate hier allein auf Pater Giuliani warten und will sich die Sympathie der Leute nicht verscherzen. Ich solle nach Hause, es sei sicher nicht so schlimm. Offensichtlich hat er Angst. Wenigstens gebe ich ihm das Geld und unsere Pässe, damit mein Mann sie nicht eines Tages zerstören kann.
Als ich zurückkomme, ist er bereits mit der Mama zu Hause. Er will wissen, was ich in der Mission wollte, doch ich antworte nicht. Nun fragt er aufgebracht, wo der Embryo sei. Wahrheitsgetreu sage ich, unsere Katze habe ihn nach draußen geschleift. Natürlich glaubt er mir nicht und behauptet, ich habe ihn sicher in der Toilette verschwinden lassen. Er erklärt der Mama, er wisse nun, daß ich mit einem Boy ein Verhältnis habe. Wahrscheinlich sei auch Napirai nicht von ihm, sondern von diesem Boy, da ich mit ihm in Maralal in einem Lodging war, bevor ich das erste Mal in die Schweiz reiste. Woher er das wohl erfahren hat? Jetzt holt mich die Hilfeleistung von damals ein und wird mir zum Verhängnis. Die Mama fragt mich, ob diese Tatsache stimmt. Selbstverständlich kann ich es nicht abstreiten, und sie glauben mir einfach nicht, daß alles harmlos war. Ich sitze da und heule, was mich noch verdächtiger macht.
Von beiden tief enttäuscht will ich nur noch weg, so schnell wie möglich. Nach längerem Hin und Her bestimmt Mama, daß Lketinga in der Manyatta schlafen soll und wir morgen weitersehen. Mein Mann geht aber nicht ohne Napirai. Ich schreie ihn an, er solle mein Kind, das er ja sowieso nicht als seines betrachtet, in Ruhe lassen. Doch er verschwindet mit ihr in der Dunkelheit.
Allein sitze ich auf dem Bett und verfalle in einen schlimmen Weinkrampf. Natürlich könnte ich den Wagen nehmen und das Dorf verlassen, aber ohne mein Kind kommt diese Möglichkeit nicht in Frage. Draußen höre ich Stimmen und Gelächter. Einige Leute scheinen sich über den Vorfall zu freuen. Nach einer Weile erscheint der Veterinär mit seiner Frau, um nach mir zu sehen. Sie haben alles mitangehört und versuchen, mich zu beruhigen. In dieser Nacht schließe ich kein Auge, sondern bete, daß wir eines Tages von hier wegkommen. Von meiner Liebe ist im Moment nur blanker Haß geblieben. Wie sich alles in der kurzen Zeit so wandeln konnte, kann ich nicht begreifen.
Am frühen Morgen gehe ich schnell in den hinteren Teil des Shops, um den Boys mitzuteilen, daß Lketinga Rachepläne gegen den einen von ihnen hegt. Dann eile ich zur Mama, da ich Napirai immer noch stillen muß. Mama sitzt mit ihr vor der Hütte. Mein Mann schläft noch. Ich nehme mein Kind, stille es, und Mama fragt mich doch tatsächlich, ob Lketinga der Vater sei. Mit Tränen in den Augen antworte ich nur: »Yes.«
Ohnmacht und Wut
Mein Mann kriecht aus der Manyatta und befiehlt mir, in unsere Blockhütte zu kommen. Auch die Boys holt er zu uns. Wie so häufig stehen einige Neugierige herum. Mir klopft das Herz bis zum Hals, ich weiß nicht, was passieren wird. Erregt redet er auf mich ein und fragt vor allen Anwesenden, ob ich mit diesem Boy geschlafen habe. Er will es jetzt wissen. Ich schäme mich sehr, und gleichzeitig überkommt mich eine Riesenwut. Wie ein Richter führt er sich auf und merkt gar nicht, wie lächerlich er uns macht. »No«, schreie ich ihn an, »you are crazy!« Noch bevor ich mehr sagen kann, bekomme ich die erste Ohrfeige. Wütend schleudere ich ihm mein Zigarettenpaket an den Kopf. Da dreht er sich um und richtet seinen Rungu gegen mich. Doch bevor er ihn benutzen kann, reagieren die Boys und der Veterinär. Sie halten ihn fest, reden empört auf ihn ein und meinen, es wäre besser, wenn er für einige Zeit in den Busch ginge, bis er wieder einen klaren Kopf hat. Daraufhin nimmt er seine Speere und zieht ab. Ich stürze in mein Haus und will niemand mehr sehen.
Zwei Tage bleibt er weg, während ich das Haus nicht verlasse. Wegfahren könnte ich nicht, da mir auch gegen Bezahlung niemand helfen würde. Den ganzen Tag höre ich deutsche Musik oder lese Gedichte, die mir helfen, meine Gedanken zu sammeln. Gerade bin ich dabei, einen Brief nach Hause zu schreiben, als unvermutet mein Mann erscheint. Er stellt die Musik ab und fragt,
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