Die Weisse Massai
Frau ein Gespräch mit mir. Eine jüngere Frau mit Kleinkind sitzt neben mir und bestaunt zuerst meine Arme, die voller Massai-Schmuck sind, und später wagt sie auch, in meine langen glatten Haare zu fassen. Wieder wird gelacht, und sie zeigt auf ihren kahlen Kopf, der nur mit einem Perlenband geschmückt ist. Ich schüttle den Kopf. Mich mit einer Glatze vorzustellen, fällt mir schwer.
Draußen ist es bereits stockdunkel, als ich ein grunzendes Geräusch vernehme. Es ist das typische Geräusch der Männer, wenn sie in erregtem Zustand sind, sei es bei Gefahr oder auch beim Sex. Augenblicklich ist es still in der Hütte. Mein Krieger streckt den Kopf herein, verschwindet aber beim Anblick der vielen Frauen gleich wieder. Ich höre Stimmen, die immer lauter werden. Plötzlich ertönt ein Schrei, und sofort fallen mehrere Personen in eine Art Summen oder Gurren ein. Neugierig krieche ich hinaus und bin überrascht, wie viele Krieger und junge Mädchen vor unserer Hütte zum Tanz versammelt sind. Die Krieger sind schön bemalt und tragen ein rotes Hüfttuch. Ihre Oberkörper sind frei und mit gekreuzten Perlenketten geschmückt. Die rote Bemalung ist vom Hals bis zur Mitte der Brust im Spitz zulaufend. Mindestens drei Dutzend Krieger bewegen ihre Körper im gleichen Rhythmus. Die Mädchen, zum Teil sehr jung, vielleicht neun- bis etwa fünfzehnjährig, tanzen in einer Reihe, den Männern zugewandt, im Rhythmus den Kopf bewegend mit. Nur ganz allmählich wird der Rhythmus gesteigert. Nach gut einer Stunde springen die ersten Krieger in die Höhe, die typischen Massai-Sprünge.
Mein Krieger sieht wunderbar aus. Er springt wie eine Feder höher und höher. Die langen Haare flattern bei jedem Sprung. Die nackten Oberkörper glänzen vor Schweiß. Man sieht alles nur undeutlich in der sternenklaren Nacht, dafür spürt man förmlich die Erotik, die sich durch das stundenlange Tanzen verbreitet. Die Gesichter sind ernst und die Augen starr. Ab und zu ertönt ein wilder Schrei, oder ein Vorsprecher singt, und die anderen fallen mit ein. Es ist phantastisch, und für Stunden vergesse ich meine Krankheit und Müdigkeit.
Die Mädchen suchen sich immer wieder andere Krieger aus, denen sie mit ihren nackten Brüsten und dem riesigen Halsschmuck entgegenwippen. Bei ihrem Anblick überkommt mich Traurigkeit. Mir wird bewußt, daß ich mit meinen siebenundzwanzig Jahren hier schon alt bin. Vielleicht nimmt Lketinga später so ein junges Mädchen als Zweitfrau. Von Eifersucht geplagt, fühle ich mich deplaziert und ausgeschlossen.
Die Gruppe formiert sich zu einer Art Polonaise, und Lketinga führt stolz die Kolonne an. Er sieht wild und unnahbar aus. Langsam geht der Tanz zu Ende. Die Mädchen begeben sich kichernd etwas abseits. Die Alten sitzen in ihre Wolldecken gehüllt im Kreis am Boden. Die Morans bilden ebenfalls einen Kreis. Nun wird der Segen von den Alten gesprochen. Einer spricht einen Satz, und alle sagen »Enkai«, das Massai-Wort für Gott. Dies wiederholt sich eine halbe Stunde lang, dann ist das gemeinsame Fest für heute beendet. Lketinga kommt zu mir und meint, ich solle nun mit Mama schlafen gehen. Er gehe mit den anderen Kriegern in den Busch, um eine Ziege zu schlachten. Geschlafen wird nicht, sondern von alten und kommenden Zeiten gesprochen. Ich kann das gut verstehen und wünsche ihm eine wunderbare Nacht.
In der Manyatta richte ich mich zwischen den anderen, so gut es geht, ein. Ich liege lange wach, weil überall Stimmen zu hören sind. In der Ferne brüllen Löwen, vereinzelt meckern Ziegen. Ich bete, daß ich bald wieder zu Kräften komme.
Morgens um sechs Uhr beginnt die Tagwache. So viele Tiere auf einem Platz verursachen großen Lärm. Mama geht hinaus, um unsere Ziegen und Kühe zu melken. Wir machen Chai. Ich sitze eingehüllt in meine Decke, weil es kühl ist. Ungeduldig warte ich auf Lketinga, da ich seit längerem auf die Toilette muß, es aber bei so vielen Menschen nicht wage, den Kral zu verlassen. Jeder würde mir nachschauen, besonders die Kinder, die mir ständig hinterherlaufen, wenn ich ohne Lketinga ein paar Schritte umhergehe.
Endlich kommt er. Strahlend streckt er den Kopf in die Hütte: »Hello, Corinne, how are you?« Dabei wickelt er seinen zweiten Kanga auf und streckt mir, in Blätter eingepackt, ein gebratenes Schafbein entgegen: »Corinne, now you eat slowly, after Malaria this is very good.« Es ist schön, daß er an mich gedacht hat, denn normal ist es nicht, daß ein
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