Die Weisse Massai
hätte in Maralal gehört, daß ich Malaria habe. Er bewundere mich, wie ich in Mamas Manyatta als Weiße leben könne. Er als Samburu habe anfangs immer große Mühe, wenn er in den Schulferien nach Hause komme. Alles sei schmutzig und eng.
Die Jungen bringen Abwechslung, der Tag vergeht wie im Flug. Schon kommen die Kühe und Ziegen nach Hause. Abends findet ein großes Tanzfest statt. Heute tanzen sogar die alten Frauen, allerdings ganz unter sich. Auch die Burschen tanzen außerhalb des Krals, zum Teil in ihrer Schuluniform. Es sieht lustig aus. Später in der Nacht sammeln sich erneut die Könige des Festes, die Krieger. James steht daneben und nimmt den Gesang mit unserem Kassettenrecorder auf. Diese Idee war mir gar nicht gekommen. Nach zwei Stunden ist die Kassette voll.
Die Krieger tanzen immer wilder. Einer der Morans fällt plötzlich in eine Art Rausch. Er schüttelt sich ekstatisch, bis er zu Boden sinkt und laut brüllend um sich schlägt. Zwei Krieger lösen sich aus dem Tanzritual und halten ihn mit Gewalt am Boden fest. Aufgeregt trete ich zu James und frage, was los sei. Dieser Moran habe vermutlich zuviel Blut getrunken und sei durch den Tanz in eine Art Trance gefallen. Nun kämpfe er in seinem Wahn mit einem Löwen. Es sei nicht so schlimm, da er bewacht und irgendwann auch wieder normal würde. Der Mann wälzt sich schreiend am Boden. Die Augen sind starr gegen den Himmel gerichtet, er hat Schaum vor dem Mund. Es sieht grauenhaft aus. Ich hoffe nur, daß so etwas nicht Lketinga passiert. Außer den zwei Bewachern kümmert sich niemand um ihn, das Fest geht weiter. Auch ich schaue bald wieder Lketinga zu, wie er elegant in die Höhe schnellt. Noch einmal genieße ich diesen Anblick, denn offiziell ist das Fest heute nacht beendet.
Mama sitzt angetrunken in der Manyatta. Die Burschen lassen den Recorder laufen, und alles ist in heller Aufregung. Neugierig versammeln sich die Krieger um das Gerät, das James auf den Boden stellt. Lketinga erfaßt es als erster und strahlt über das ganze Gesicht, als er die einzelnen Morans am Schrei oder am Gesang erkennt. Während es die einen reglos mit aufgerissenen Augen anstarren, tasten andere das Gerät ab. Lketinga schultert stolz den Recorder, und einige Morans beginnen von neuem zu tanzen.
Langsam wird es kühl, und ich gehe in die Manyatta zurück. James wird bei einem Freund schlafen, und mein Darling zieht mit den anderen in den Busch. Wieder höre ich von überall Geräusche. Der Eingang der Hütte ist nicht zugedeckt, so daß ich noch ab und zu Beine vorbeihuschen sehe. Ich freue mich, wieder nach Barsaloi zu ziehen. Meine Kleider sind rauchig und schmutzig. Auch mein Körper sollte mit Wasser in Berührung kommen, von meinen Haaren ganz zu schweigen.
Die Burschen sind morgens früher als Lketinga in der Manyatta. Mama kocht Chai, als Lketinga den Kopf zur Hütte hereinstreckt. Beim Anblick der Burschen spricht er zornig auf sie ein. Mama erwidert etwas, und die Burschen verlassen unsere Manyatta ohne Chai. Dafür setzen sich Lketinga und ein zweiter Moran in die Hütte. »What’s the problem, darling?« frage ich etwas verstört. Nach einer längeren Pause erklärt er mir, daß dies eine Kriegerhütte sei, und die unbeschnittenen Jungen hier nichts zu suchen hätten. James müsse Essen und Trinken in einer anderen Hütte einnehmen, wo die Mama keinen Sohn im Moranalter, sondern in seinem Alter hat. Mama schweigt verbissen. Ich bin enttäuscht, auf die englische Unterhaltung verzichten zu müssen, und empfinde gleichzeitig Mitleid mit den vertriebenen Burschen. Aber ich muß diese Gesetze akzeptieren.
Wie lange wir noch hier bleiben, frage ich. Etwa zwei bis drei Tage, ist die Antwort, dann geht jede Familie an ihren alten Platz zurück. Ich bin entsetzt, hier so lange aushalten zu müssen ohne Wasser, mit lästigen Kuhfladen und den Fliegen. Erneut beschleicht mich der Gedanke an die Schweiz. Ich fühle mich nach wie vor sehr schwach. Weiter als ein paar Meter in den Busch, um meine Notdurft zu verrichten, gehe ich nie. Auch möchte ich wieder ein normales Leben mit meinem Freund führen.
Nachmittags schaut Giuliani vorbei und bringt mir einige Bananen und einen Brief von meiner Mutter. Der Brief richtet mich auf, obwohl sich meine Mutter große Sorgen macht, weil sie lange nichts mehr von mir gehört hat. Der Pater und ich wechseln ein paar Worte, dann ist er schon wieder weg. Ich nutze die Zeit, einen Antwortbrief zu schreiben. Meine
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