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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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der Chinesen, im Y-king, den Ursprung gab: und auch in jener Schellingischen Schule finden wir, bei ihren mannigfaltigen Bestrebungen die Analogie zwischen allen Erscheinungen der Natur an das Licht zu ziehn, auch manche, wiewohl unglückliche Versuche, aus den bloßen Gesetzen des Raumes und der Zeit Naturgesetze abzuleiten. Indessen kann man nicht wissen, wie weit ein Mal ein genialer Kopf beide Bestrebungen realisiren wird.
    Wenn nun gleich der Unterschied zwischen Erscheinung und Ding an sich nie aus den Augen zu lassen ist, und daher die Identität des in allen Ideen objektivirten Willens nie (weil er bestimmte Stufen seiner Objektität hat) verdreht werden darf zu einer Identität der einzelnen Ideen selbst, in denen er erscheint, und daher z.B. nimmermehr die chemische, oder elektrische Anziehung zurückgeführt werden darf auf die Anziehung durch Schwere, wenn gleich ihre innere Analogie erkannt wird und die ersteren gleichsam als höhere Potenzen dieser letzteren angesehn werden können; eben so wenig, als die innere Analogie des Baues aller Thiere berechtigt, die Arten zu vermischen und zu identificiren und etwan die vollkommeneren für Spielarten der unvollkommeneren zu erklären; wenn also endlich auch die physiologischen Funktionen nie auf chemische oder physische Processe zurückzuführen sind, so kann man doch, zur Rechtfertigung dieses Verfahrens innerhalb gewisser Schranken, Folgendes mit vieler Wahrscheinlichkeit annehmen.
    Wenn von den Erscheinungen des Willens, auf den niedrigeren Stufen seiner Objektivation, also im Unorganischen, mehrere unter einander in Konflikt gerathen, indem jede, am Leitfaden der Kausalität, sich der vorhandenen Materie bemächtigen will; so geht aus diesem Streit die Erscheinung einer hohem Idee hervor, welche die vorhin dagewesenen unvollkommeneren alle überwältigt, jedoch so, daß sie das Wesen derselben auf eine untergeordnete Weise bestehn läßt, indem sie ein Analogen davon in sich aufnimmt; welcher Vorgang eben nur aus der Identität des erscheinenden Willens in allen Ideen und aus seinem Streben zu immer höherer Objektivation begreiflich ist. Wir sehn daher z.B. im Festwerden der Knochen ein unverkennbares Analogen der Krystallisation, als welche ursprünglich den Kalk beherrschte, obgleich die Ossifikation nie auf Krystallisation zurückzuführen ist. Schwächer zeigt sich diese Analogie im Festwerden des Fleisches. So auch ist die Mischung der Säfte im thierischen Körper und die Sekretion ein Analogen der chemischen Mischung und Abscheidung, sogar wirken die Gesetze dieser dabei noch fort, aber untergeordnet, sehr modificirt, von einer hohem Idee überwältigt; daher bloß chemische Kräfte, außerhalb des Organismus, nie solche Säfte liefern werden; sondern

    Encheiresin naturae nennt es die Chemie,
    Spottet ihrer selbst und weiß nicht wie.

    Die aus solchem Siege über mehrere niedere Ideen, oder Objektivationen des Willens, hervorgehende vollkommenere gewinnt, eben dadurch, daß sie von jeder überwältigten, ein höher potenzirtes Analogen in sich aufnimmt, einen ganz neuen Charakter: der Wille objektivirt sich auf eine neue deutlichere Art: es entsteht, ursprünglich durch generatio aequivoca , nachher durch Assimilation an den vorhandenen Keim, organischer Saft, Pflanze, Thier, Mensch. Also aus dem Streit niedrigerer Erscheinungen geht die höhere, sie alle verschlingende, aber auch das Streben aller in höherm Grade verwirklichende hervor. – Es herrscht demnach schon hier das Gesetz: serpens, nisi serpentem comederit, non fit draco .
    Ich wollte, daß es mir möglich gewesen wäre, durch die Klarheit der Darstellung, die dem Stoffe anhängende Dunkelheit dieser Gedanken zu überwinden: allein ich sehe gar wohl, daß die eigene Betrachtung des Lesers mir sehr zu Hülfe kommen muß, wenn ich nicht unverstanden bleiben, oder mißverstanden werden soll. – Der gegebenen Ansicht gemäß, wird man zwar im Organismus die Spuren chemischer und physischer Wirkungsarten nachweisen, aber nie ihn aus diesen erklären können; weil er keineswegs ein durch das vereinigte Wirken solcher Kräfte, also zufällig hervorgebrachtes Phänomen ist, sondern eine höhere Idee, welche sich jene niedrigeren durch überwältigende Assimilation unterworfen hat; weil der in allen Ideen sich objektivirende eine Wille, indem er zur höchstmöglichen Objektivation strebt, hier die niedern Stufen seiner Erscheinung, nach einem Konflikt derselben, aufgiebt, um auf einer hohem

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