Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
dürfen, um große Weisheit geredet zu haben?
Die Erklärung des Begriffes wahr ist schon in der Abhandlung über den Satz vom Grunde, Kap. 5, § 29 ff., gegeben. Der Inhalt des Begriffs schön hat durch unser ganzes drittes Buch zum ersten Mal seine eigentliche Erklärung gefunden. Jetzt wollen wir den Begriff gut auf seine Bedeutung zurückführen, was mit sehr Wenigem geschehn kann. Dieser Begriff ist wesentlich relativ und bezeichnet die Angemessenheit eines Objekts zu irgend einer bestimmten Bestrebung des Willens . Also Alles, was dem Willen in irgend einer seiner Aeußerungen zusagt, seinen Zweck erfüllt, das wird durch den Begriff gut gedacht, so verschieden es auch im Uebrigen seyn mag. Darum sagen wir gutes Essen, gute Wege, gutes Wetter, gute Waffen, gute Vorbedeutung u.s.w., kurz, nennen Alles gut, was gerade so ist, wie wir es eben wollen; daher auch dem Einen gut seyn kann, was dem Andern gerade das Gegentheil davon ist. Der Begriff des Guten zerfällt in zwei Unterarten: nämlich die der unmittelbar gegenwärtigen und die der nur mittelbaren, auf die Zukunft gehenden Befriedigung des jedesmaligen Willens: d.h. das Angenehme und das Nützliche. – Der Begriff des Gegentheils wird, so lange von nichterkennenden Wesen die Rede ist, durch das Wort schlecht , seltener und abstrakter durch Uebel ausgedrückt, welches also alles dem jedesmaligen Streben des Willens nicht Zusagende bezeichnet. Wie alle andern Wesen, die in Beziehung zum Willen treten können, hat man nun auch Menschen, die den gerade gewollten Zwecken günstig, förderlich, befreundet waren, gut genannt, in der selben Bedeutung und immer mit Beibehaltung des Relativen, welches sich z.B. in der Redensart zeigt: »Dieser ist mir gut, dir aber nicht.« Diejenigen aber, deren Charakter es mit sich brachte, überhaupt die fremden Willensbestrebungen als solche nicht zu hindern, vielmehr zu befördern, die also durchgängig hülfreich, wohlwollend, freundlich, wohlthätig waren, sind, wegen dieser Relation ihrer Handlungsweise zum Willen Anderer überhaupt, gute Menschen genannt worden. Den entgegengesetzten Begriff bezeichnet man im Deutschen und seit etwan hundert Jahren auch im Französischen, bei erkennenden Wesen (Thieren und Menschen) durch ein anderes Wort als bei erkenntnißlosen, nämlich durch böse , méchant , während in fast allen andern Sprachen dieser Unterschied nicht Statt findet und kakos , malus, cattivo, bad von Menschen wie von leblosen Dingen gebraucht werden, welche den Zwecken eines bestimmten individuellen Willens entgegen sind. Also ganz und gar vom passiven Theil des Guten ausgegangen, konnte die Betrachtung erst später auf den aktiven übergehn und die Handlungsweise des gut genannten Menschen nicht mehr in Bezug auf Andere, sondern auf ihn selbst untersuchen, besonders sich die Erklärung aufgebend, theils der rein objektiven Hochachtung, die sie in Andern, theils der eigenthümlichen Zufriedenheit mit sich selbst, die sie in ihm offenbar hervorbrachte, da er solche sogar mit Opfern anderer Art erkaufte; so wie auch im Gegentheil des innern Schmerzes, der die böse Gesinnung begleitete, so viel äußere Vortheile sie auch Dem brachte, der sie gehegt. Hieraus entsprangen nun die ethischen Systeme, sowohl philosophische, als auf Glaubenslehren gestützte. Beide suchten stets die Glücksäligkeit mit der Tugend irgendwie in Verbindung zu setzen, die ersteren entweder durch den Satz des Widerspruchs, oder auch durch den des Grundes, Glücksäligkeit also entweder zum Identischen, oder zur Folge der Tugend zu machen, immer sophistisch: die letzteren aber durch Behauptung anderer Welten, als die der Erfahrung möglicherweise bekannte. 91 Hingegen wird, unserer Betrachtung zufolge, sich das innere Wesen der Tugend ergeben als ein Streben in ganz entgegengesetzter Richtung als das nach Glücksäligkeit, d.h. Wohlseyn und Leben.
Dem Obigen zufolge ist das Gute , seinem Begriffe nach, tôn pros ti , also jedes Gute wesentlich relativ: denn es hat sein Wesen nur in seinem Verhältniß zu einem begehrenden Willen. Absolutes Gut ist demnach ein Widerspruch: höchstes Gut, summum bonum , bedeutet das Selbe, nämlich eigentlich eine finale Befriedigung des Willens, nach welcher kein neues Wollen einträte, ein letztes Motiv, dessen Erreichung ein unzerstörbares Genügen des Willens gäbe. Nach unserer bisherigen Betrachtung in diesem vierten Buch ist dergleichen nicht denkbar. Der Wille kann so wenig durch irgend eine
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