Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
nach der Realität der Außenwelt zu ihrem spekulativen zurück, so haben wir zwar gefunden, daß dieser liege, erstlich in der falschen Anwendung des Satzes vom Grunde, nämlich auch zwischen Subjekt und Objekt, und sodann wieder in der Verwechselung seiner Gestalten, indem nämlich der Satz vom Grunde des Erkennens auf das Gebiet übertragen wurde, wo der Satz vom Grunde des Werdens gilt: allein dennoch hätte jene Frage schwerlich die Philosophen so anhaltend beschäftigen können, wenn sie ganz ohne allen wahren Gehalt wäre und nicht in ihrem Innersten doch irgend ein richtiger Gedanke und Sinn als ihr eigentlichster Ursprung läge, von welchem man demnach anzunehmen hätte, daß allererst, indem er in die Reflexion trat und seinen Ausdruck suchte, er in jene verkehrten, sich selbst nicht verstehenden Formen und Fragen eingegangen wäre. So ist es, meiner Meinung nach, allerdings; und als den reinen Ausdruck jenes Innersten Sinnes der Frage, welchen sie nicht zu treffen wußte, setze ich diesen: Was ist diese anschauliche Welt noch außerdem, daß sie meine Vorstellung ist? Ist sie, deren ich mir nur ein Mal und zwar als Vorstellung bewußt bin, eben wie mein eigener Leib, dessen ich mir doppelt bewußt bin, einerseits Vorstellung , andererseits Wille ? – Die deutlichere Erklärung und die Bejahung dieser Frage wird der Inhalt des zweiten Buches seyn, und die Folgesätze aus ihr werden den übrigen Theil dieser Schrift einnehmen.
§ 6
Inzwischen betrachten wir für jetzt, in diesem ersten Buch, Alles nur als Vorstellung, als Objekt für das Subjekt: und wie alle andern realen Objekte, sehn wir auch den eigenen Leib, von dem das Anschauen der Welt in Jedem ausgeht, bloß von der Seite der Erkennbarkeit an: und er ist uns sonach nur eine Vorstellung. Zwar widerstrebt das Bewußtseyn eines Jeden, welches sich schon gegen das Erklären der andern Objekte für bloße Vorstellungen auflehnte, noch mehr, wenn der eigene Leib bloß eine Vorstellung seyn soll; welches daher kommt, daß Jedem das Ding an sich, sofern es als sein eigener Leib erscheint, unmittelbar, sofern es in den andern Gegenständen der Anschauung sich objektivirt, ihm nur mittelbar bekannt ist. Allein der Gang unserer Untersuchung macht diese Abstraktion, diese einseitige Betrachtungsart, dies gewaltsame Trennen des wesentlich zusammen Bestehenden nothwendig: daher muß jenes Widerstreben einstweilen unterdrückt und beruhigt werden durch die Erwartung, daß die folgenden Betrachtungen die Einseitigkeit der gegenwärtigen ergänzen werden, zur vollständigen Erkenntniß des Wesens der Welt.
Der Leib ist uns also hier unmittelbares Objekt, d.h. diejenige Vorstellung, welche den Ausgangspunkt der Erkenntniß des Subjekts macht, indem sie selbst, mit ihren unmittelbar erkannten Veränderungen, der Anwendung des Gesetzes der Kausalität vorhergeht und so zu dieser die ersten Data liefert. Alles Wesen der Materie besteht, wie gezeigt, in ihrem Wirken. Wirkung und Ursache giebt es aber nur für den Verstand, als welcher nichts weiter, als das subjektive Korrelat derselben ist. Aber der Verstand könnte nie zur Anwendung gelangen, wenn es nicht noch etwas Anderes gäbe, von welchem er ausgeht. Ein solches ist die bloß sinnliche Empfindung, das unmittelbare Bewußtsein der Veränderungen des Leibes, vermöge dessen dieser unmittelbares Objekt ist. Die Möglichkeit der Erkennbarkeit der anschaulichen Welt finden wir demnach in zwei Bedingungen: die erste ist, wenn wir sie objektiv ausdrücken , die Fähigkeit der Körper auf einander zu wirken, Veränderungen in einander hervorzubringen, ohne welche allgemeine Eigenschaft aller Körper auch mittelst der Sensibilität der thierischen doch keine Anschauung möglich würde; wollen wir aber diese nämliche erste Bedingung subjektiv ausdrücken , so sagen wir: der Verstand vor Allem macht die Anschauung möglich: denn nur aus ihm entspringt und für ihn auch nur gilt das Gesetz der Kausalität, die Möglichkeit von Wirkung und Ursache, und nur für Ihn und durch ihn ist daher die anschauliche Welt da. Die zweite Bedingung aber ist die Sensibilität thierischer Leiber, oder die Eigenschaft gewisser Körper, unmittelbar Objekte des Subjekts zu seyn. Die bloßen Veränderungen, welche die Sinnesorgane durch die ihnen specifisch angemessene Einwirkung von außen erleiden, sind nun zwar schon Vorstellungen zu nennen, sofern solche Einwirkungen weder Schmerz noch Wollust erregen, d.h. keine unmittelbare Bedeutung
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