Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
demnach in der Frische des Kolorits, welche die Gleichzeitigkeit und Gegenwart verleiht, genossen werden, sondern, gleich den Feigen und Datteln, viel mehr im trockenen, als im frischen Zustande. –
Wenn wir nun endlich noch das Genie von der somatischen Seite betrachten; so finden wir es durch mehrere anatomische und physiologische Eigenschaften bedingt, welche einzeln selten vollkommen vorhanden, noch seltener vollständig beisammen, dennoch alle unerläßlich erfordert sind; so daß daraus erklärlich wird, warum das Genie nur als eine völlig vereinzelte, fast portentose Ausnahme vorkommt. Die Grundbedingung ist ein abnormes Ueberwiegen der Sensibilität über die Irritabilität und Reproduktionskraft, und zwar, was die Sache erschwert, auf einem männlichen Körper. (Weiber können bedeutendes Talent, aber kein Genie haben: denn sie bleiben stets subjektiv.) Imgleichen muß das Cerebralsystem vom Gangliensystem durch vollkommene Isolation rein geschieden seyn, so daß es mit diesem in vollkommenem Gegensatz stehe, wodurch das Gehirn sein Parasitenleben auf dem Organismus recht entschieden, abgesondert, kräftig und unabhängig führt. Freilich wird es dadurch leicht feindlich auf den übrigen Organismus wirken und, durch sein erhöhtes Leben und rastlose Thätigkeit, ihn frühzeitig aufreiben, wenn nicht auch er selbst von energischer Lebenskraft und wohl konstituirt ist: auch dieses Letztere also gehört zu den Bedingungen. Ja, sogar ein guter Magen gehört dazu, wegen des speciellen und engen Konsensus dieses Theiles mit dem Gehirn. Hauptsächlich aber muß das Gehirn von ungewöhnlicher Entwickelung und Größe, besonders breit und hoch seyn: hingegen wird die Tiefendimension zurückstehn, und das große Gehirn im Verhältniß gegen das kleine abnorm überwiegen. Auf die Gestalt desselben, im Ganzen und in den Theilen, kommt ohne Zweifel sehr viel an: allein dies genau zu bestimmen, reichen unsere Kenntnisse noch nicht aus; obwohl wir die edle, hohe Intelligenz verkündende Form eines Schädels leicht erkennen. Die Textur der Gehirnmasse muß von der äußersten Feinheit und Vollendung seyn und aus der reinsten, ausgeschiedensten, zartesten und erregbarsten Nervensubstanz bestehn: gewiß hat auch das quantitative Verhältniß der weißen zur grauen Substanz entschiedenen Einfluß, den wir aber ebenfalls noch nicht anzugeben vermögen. Inzwischen besagt der Obduktionsbericht der Leiche Byron's 41 , daß bei ihm die weiße Substanz in ungewöhnlich starkem Verhältniß zur grauen stand; desgleichen, daß sein Gehirn 6 Pfund gewogen hat. Cuvier's Gehirn hat 5 Pfund gewogen: das normale Gewicht ist 3 Pfund. – Im Gegensatz des überwiegenden Gehirns müssen Rückenmark und Nerven ungewöhnlich dünn seyn. Ein schön gewölbter, hoher und breiter Schädel, von dünner Knochenmasse, muß das Gehirn schützen, ohne es irgend einzuengen. Diese ganze Beschaffenheit des Gehirns und Nervensystems ist das Erbtheil von der Mutter; worauf wir im folgenden Buche zurückkommen werden. Dieselbe ist aber, um das Phänomen des Genies hervorzubringen, durchaus unzureichend, wenn nicht, als Erbtheil vom Vater, ein lebhaftes, leidenschaftliches Temperament hinzukommt, sich somatisch darstellend als ungewöhnliche Energie des Herzens und folglich des Blutumlaufs, zumal nach dem Kopfe hin. Denn hiedurch wird zunächst jene dem Gehirn eigene Turgescenz vermehrt, vermöge deren es gegen seine Wände drückt; daher es aus jeder durch Verletzung entstandenen Oeffnung in diesen hervorquillt: zweitens erhält durch die gehörige Kraft des Herzens das Gehirn diejenige innere, von seiner beständigen Hebung und Senkung bei jedem Athemzuge noch verschiedene Bewegung, welche in einer Erschütterung seiner ganzen Masse bei jedem Pulsschlage der vier Cerebral-Arterien besteht und deren Energie seiner hier vermehrten Quantität entsprechen muß, wie denn diese Bewegung überhaupt eine unerläßliche Bedingung seiner Thätigkeit ist. Dieser ist eben daher auch eine kleine Statur und besonders ein kurzer Hals günstig, weil, auf dem kürzern Wege, das Blut mit mehr Energie zum Gehirn gelangt: deshalb sind die großen Geister selten von großem Körper. Jedoch ist jene Kürze des Weges nicht unerläßlich: z.B. Goethe war von mehr als mittlerer Höhe. Wenn nun aber die ganze den Blutumlauf betreffende und daher vom Vater kommende Bedingung fehlt; so wird die von der Mutter stammende günstige Beschaffenheit des Gehirns höchstens ein Talent,
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