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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Wesen und haben bloß persönliche Verhältnisse: er ist zugleich ein reiner Intellekt, der als solcher der ganzen Menschheit angehört. Der Gedankengang des von seinem mütterlichen Boden, dem Willen, abgelösten und nur periodisch zu ihm zurückkehrenden Intellekts wird sich von dem des normalen, auf seinem Stamme haftenden, bald durchweg unterscheiden. Daher, und wegen der Ungleichheit des Schritts, ist Jener nicht zum gemeinschaftlichen Denken, d.h. zur Konversation mit den Andern geeignet: sie werden an ihm und seiner drückenden Ueberlegenheit so wenig Freude haben, wie er an ihnen. Sie werden daher sich behaglicher mit ihres Gleichen fühlen, und er wird die Unterhaltung mit seines Gleichen, obschon sie in der Regel nur durch ihre nachgelassenen Werke möglich ist, vorziehn. Sehr richtig sagt daher Chamfort : Il y a peu de vices qui empêchent un homme d'avoir beaucoup d'amis, autant que peuvent le faire de trop grandes qualités . Das glücklichste Loos, was dem Genie werden kann, ist Entbindung vom Thun und Lassen, als welches nicht sein Element ist, und freie Muße zu seinem Schaffen. – Aus diesem Allen ergiebt sich, daß wenn gleich das Genie den damit Begabten in den Stunden, wo er, ihm hingegeben, ungehindert im Genuß desselben schwelgt, hoch beglücken mag; dasselbe dennoch keineswegs geeignet ist, ihm einen glücklichen Lebenslauf zu bereiten, vielmehr das Gegentheil. Dies bestätigt auch die in den Biographien niedergelegte Erfahrung. Dazu kommt noch ein Mißverhältniß nach außen, indem das Genie, in seinem Treiben und Leisten selbst, meistens mit seiner Zeit im Widerspruch und Kampfe steht. Die bloßen Talentmänner kommen stets zu rechter Zeit: denn, wie sie vom Geiste ihrer Zeit angeregt und vom Bedürfniß derselben hervorgerufen werden; so sind sie auch gerade nur fähig diesem zu genügen. Sie greifen daher ein in den fortschreitenden Bildungsgang ihrer Zeitgenossen, oder in die schrittweise Förderung einer speciellen Wissenschaft: dafür wird ihnen Lohn und Beifall. Der nächsten Generation jedoch sind ihre Werke nicht mehr genießbar: sie müssen durch andere ersetzt werden, die dann auch nicht ausbleiben. Das Genie hingegen trifft in seine Zeit, wie ein Komet in die Planetenbahnen, deren wohlgeregelter und übersehbarer Ordnung sein völlig excentrischer Lauf fremd ist. Demnach kann es nicht eingreifen in den vorgefundenen, regelmäßigen Bildungsgang der Zeit, sondern wirft seine Werke weit hinaus in die vorliegende Bahn (wie der sich dem Tode weihende Imperator seinen Speer unter die Feinde), auf welcher die Zeit solche erst einzuholen hat. Sein Verhältniß zu den während dessen kulminirenden Talentmännern könnte es in den Worten des Evangelisten ausdrücken: O kairos ho emos oupô parestin; ho de kairos ho hymeteros pantote estin hetoimos (Joh. 7, 6). – Das Talent vermag zu leisten was die Leistungsfähigkeit, jedoch nicht die Apprehensionsfähigkeit der Uebrigen überschreitet: daher findet es sogleich seine Schätzer. Hingegen geht die Leistung des Genies nicht nur über die Leistungs-, sondern auch über die Apprehensionsfähigkeit der Andern hinaus: daher werden Diese seiner nicht unmittelbar inne. Das Talent gleicht dem Schützen, der ein Ziel trifft, welches die Uebrigen nicht erreichen können; das Genie dem, der eines trifft, bis zu welchem sie nicht ein Mal zu sehn vermögen: daher sie nur mittelbar, also spät, Kunde davon erhalten, und sogar diese nur auf Treu und Glauben annehmen. Demgemäß sagt Goethe im Lehrbrief: »Die Nachahmung ist uns angeboren; das Nachzuahmende wird nicht leicht erkannt. Selten wird das Treffliche gefunden, seltner geschätzt«. Und Chamfort sagt: Il en est de la valeur des hommes comme de celle des diamans, qui, à une certaine mesure de grosseur, de pureté, de perfection, ont un prix fixe et marqué, mais qui, par-delà cette mesure, restent sans prix, et ne trouvent point d'acheteurs. Auch schon Bako von Verulam hat es ausgesprochen: Infimarum virtutum, apud vulgus, laus est, mediarum admiratio, supremarum sensus nullus (De augm. sc., L. VI, c. 3). Ja, möchte vielleicht Einer entgegnen, apud vulgus! – Dem muß ich jedoch zu Hülfe kommen mit Machiavelli's Versicherung: Nel mondo non è se non volgo 40 ; wie denn auch Thilo (über den Ruhm) bemerkt, daß zum großen Haufen gewöhnlich Einer mehr gehört, als Jeder glaubt. – Eine Folge dieser späten Anerkennung der Werke des Genies ist, daß sie selten von ihren Zeitgenossen und

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