Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)
Falmouth gar nicht. Immer wenn Tom zugegen war, hatte sie ihn auf dem Kieker.
»Unser Thema ist der gegenwärtige Krieg, Tom. Vielleicht kannst du ja zu unserer Diskussion beitragen. Was ist ein ausgelagerter Konflikt?«
Seine Gedanken schnellten zu den Ausschnitten, die er in den Nachrichten und im Internet gesehen hatte, mit im All kämpfenden Schiffen, gelenkt von den streng geheimen Kombattanten, die lediglich durch ihre Rufzeichen identifiziert werden konnten. »Ein ausgelagerter Konflikt ist ein Krieg, der nicht auf der Erde ausgetragen wird. Er findet im All oder auf einem anderen Planeten statt.«
»Und der Himmel ist blau, und die Sonne geht im Osten auf. Ich möchte mehr von dir hören als das Offensichtliche.«
Tom hörte auf damit, den virtuellen Schreibstift zu drehen, und konzentrierte sich. »Moderne Kriege werden nicht von Menschen geführt. Ich meine, irgendwie werden sie schon von Menschen geführt, weil Menschen auf der Erde automatisierte Drohnen fernsteuern, aber den eigentlichen Kampf übernehmen die Maschinen. Wenn unsere Maschinen nicht von den russisch-chinesischen zerstört werden, gewinnt unser Land die Schlacht.«
»Und wer ist an dem gegenwärtigen Konflikt beteiligt, Tom?«
»Die ganze Welt. Deshalb heißt er ›Dritter Weltkrieg‹.« Sie erwartete scheinbar mehr, sodass Tom die bedeutendsten Teilnehmer mit seinen virtuellen Fingern abzählte: »Indien und Amerika sind Alliierte, auch der euro-australische Block hat sich uns angeschlossen. Russland und China sind ebenfalls Alliierte. Sie werden von den afrikanischen Staaten und der südamerikanischen Föderation unterstützt. Die Koalition multinationaler Konzerne, die zwölf mächtigsten Unternehmen der Welt, spaltet sich zu gleichen Teilen zwischen den beiden Seiten auf. Und … ja. Das wäre es in etwa.«
Das war so ziemlich alles, was er über den Krieg wusste. Was sie sonst noch hören wollte, war ihm nicht genau klar. All die winzig kleinen Staaten, die mit einer der beiden Seiten verbündet waren, hätte er nicht aufzählen können, und er bezweifelte, dass es sonst jemand in der Klasse gekonnt hätte. Es gab einen Grund dafür, warum Rosewood eine Sonderschule war – die meisten Schüler hier waren nicht gut genug für eine richtige Schule in einem richtigen Gebäude.
»Möchtest du vielleicht eine herausragende Eigenschaft dieses ausgelagerten Konflikts benennen, die im Gegensatz zu Kriegen in früheren Zeiten steht?«
»Nein?«, versuchte er es hoffnungsvoll.
»Das war nicht wirklich eine Bitte. Nun beantworte die Frage.«
Tom fing wieder damit an, den Stift zu drehen. So ging Ms Falmouth immer vor. Sie fragte ihn so lange, bis er sein gesamtes Wissen durchforstet hatte, es vermasselte und wie ein Idiot dastand. Dieses Mal würde er Klartext mit ihr reden. »Keine Ahnung. Sorry.«
Ms Falmouth seufzte, so als hätte sie auch nicht mehr von ihm erwartet, und nahm sich ihr nächstes Opfer vor. »Heather, ihr beiden scheint euch ja schnell miteinander angefreundet zu haben. Wenn du schon an deinem ersten Tag im Unterricht störst, kannst du ja vielleicht für Tom eine herausragende Eigenschaft nennen.«
Heather bedachte Tom mit einem raschen Blick von der Seite und erwiderte dann: »Indem wir Krieg auf anderen Planeten führen und Kämpfe auf der Erde vermeiden, lösen wir zwar Probleme gewaltsam, vermeiden aber einen Großteil der Folgen herkömmlicher Kriegsführung, zum Beispiel schwerwiegende Verletzungen, Todesfälle, Zerstörungen der Infrastruktur und Umweltbelastung. Das waren jetzt vier herausragende Eigenschaften. Möchten Sie, dass ich noch weitere aufzähle, Ms Falmouth?«
Ms Falmouth schwieg einen kurzen Moment. Womöglich war sie überrascht, mit welcher Leichtigkeit Heather die Frage beantwortet hatte. »Das genügt, Heather. Sehr gut formuliert. Ausgelagerte Konflikte sind sowohl in sozialer als auch in ökologischer Hinsicht von Vorteil.« Sie trat mit großen Schritten an die Tafel. »Ich möchte, dass ihr euch alle einmal Gedanken darüber macht, wie das Wesen des Konflikts die Folgen, mit denen wir konfrontiert werden, verändert hat …«
Heather nutzte die Gelegenheit, um Tom zuzuflüstern: »Ich wollte dich nicht in Schwierigkeiten bringen.«
Tom lachte leise und schüttelte den Kopf. »Du hast mich nicht in Schwierigkeiten gebracht. Ms Falmouth will mich bloß wissen lassen, wie sehr sie mich vermisst hat.«
Seine Datenhandschuhe vibrierten und signalisierten damit, dass jemand physischen
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