Die Wespenfabrik
als ich sie erwischte, und ich gab acht, sie nicht zu
schütteln, während ich zu der Stelle zurückrannte, wo
mein Bruder und Blyth im Gras lagen. Eric hatte sich herumgerollt und
eine Hand unter den Kopf geschoben, mit der anderen bedeckte er sich
die Augen. Sein Mund war leicht geöffnet, und seine Brust
bewegte sich langsam. Paul lag zu einer kleinen Kugel zusammengerollt
in der Sonne, sehr still, und Blyth lag auf dem Bauch; er hatte die
Hände unter die Wangen geschoben, und den Stumpf seines linken
Beins hatte er im Gras zwischen den Blumen angezogen, so daß er
wie eine gewaltige Erektion aus seinen Shorts herausragte. Ich ging
näher, wobei ich immer noch die rostige Dose hinter meinem
Rücken umklammerte. Die Giebelseite des Hauses sah aus einer
Entfernung von vielleicht fünfzig Metern zu uns her, fensterlos.
Weiße Leintücher flatterten träge im hinteren Garten.
Mein Herz klopfte wild, und ich leckte mir über die Lippen.
Ich ließ mich neben Blyth nieder, sorgsam darauf bedacht,
daß mein Schatten nicht auf sein Gesicht fiel. Ich legte ein
Ohr an die Dose und hielt sie still. Ich konnte weder hören noch
fühlen, daß sich die Schlange bewegte. Ich streckte die
Hand nach Blyths künstlichem Bein aus, das glatt und rosafarben
im Schatten seines Rückens lag. Ich hielt das Bein an die Dose
und nahm den Deckel ab, wobei ich gleichzeitig das Bein über die
Öffnung schob. Dann drehte ich langsam die Dose und das Bein so,
daß die Dose über dem Bein war. Ich schüttelte die
Dose und spürte, wie die Schlange in das Bein fiel.
Zunächst gefiel ihr das nicht, und sie bewegte sich und schlug
gegen die Seitenwände des Plastikbeins und die Öffnung der
Dose, während ich beides festhielt und schwitzte, dem Summen der
Insekten und dem Rascheln des Grases lauschte, Blyth betrachtete, der
reglos und leise dalag und dessen Haar sich hin und wieder im
leichten Wind kräuselte. Meine Hände zitterten, und der
Schweiß lief mir in die Augen.
Die Schlange bewegte sich nicht mehr. Ich hielt Bein und Dose noch
eine Weile fest und blickte wieder zum Haus hinüber. Dann drehte
ich das Bein und die Dose behutsam um, bis das Bein im gleichen
Winkel im Gras lag wie zuvor, hinter Blyth. Im letzten Moment zog ich
vorsichtig die Dose weg. Nichts geschah. Die Schlange war immer noch
in dem Bein, und ich sah sie nicht einmal. Ich stand auf, ging
rückwärts zur nächsten Düne, warf die Dose hoch
über deren Spitze, dann kehrte ich zurück und ließ
mich dort nieder, wo ich zuvor gesessen hatte; ich schloß die
Augen.
Eric erwachte als erster, dann öffnete ich die Augen und tat
sehr verschlafen, und wir weckten den kleinen Paul und unseren
Vetter. Blyth ersparte mir die Peinlichkeit, eine Runde Fußball
vorzuschlagen, indem er es selbst tat. Eric, Paul und ich stellten
die Torpfosten auf, während Blyth hastig sein Bein
anschnallte.
Niemand hatte den geringsten Verdacht. Vom ersten Moment an, als
meine Brüder und ich fassungslos dastanden, während Blyth
schrie und hüpfte und an seinem Bein zerrte, bis zu dem
tränenreichen Abschied von Blyths Eltern und dem Auftauchen von
Diggs, der Aussagen notierte (ein Artikel darüber erschien sogar
im Inverness Courier, der wegen seines reißerischen
Werts von einigen der Fleet-Street-Blätter übernommen
wurde), kam kein Mensch auch nur im entferntesten auf die Idee,
daß es sich um etwas anderes als einen tragischen Unfall mit
einem makabren Aspekt handelte. Nur ich wußte es besser.
Ich klärte Eric nicht auf. Er war über das Geschehene
erschüttert und empfand echtes Mitleid für Blyth und seine
Eltern. Ich äußerte lediglich die Bemerkung, daß es
die gerechte Strafe Gottes sei, daß Blyth zuerst sein Bein
verloren hatte und der Ersatz anschließend das Instrument
für seinen Untergang geworden war. Alles wegen der Kaninchen.
Eric, der zu jener Zeit eine Phase religiöser Anwandlung
durchmachte, die ich vermutlich bis zu einem gewissen Grad nachahmte,
war der Ansicht, daß es entsetzlich war, so etwas zu sagen. So
war Gott nicht. Ich entgegnete, daß der, an den ich glaubte,
sehr wohl so war.
Jedenfalls, das war der Anlaß, aus dem dieser spezielle
Fleck des Geländes seinen Namen bekam: der Schlangenpark.
Ich lag im Bett und dachte an all das zurück. Vater war noch
immer nicht nach Hause gekommen. Vielleicht würde er die ganze
Nacht ausbleiben. Das war äußerst ungewöhnlich und
ziemlich beunruhigend. Womöglich war er zusammengeschlagen
worden oder an einem
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