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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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dann mit einem Handtuch, schnitt ich mir die
Nägel. Dann putzte ich mir die Zähne gründlich mit
meiner elektrischen Zahnbürste. Als nächstes war das
Rasieren dran. Ich benutze stets Rasierschaum und die neuesten
Rasierapparate (Zwillingsklingen mit Schwenkkopf sind zur Zeit der
letzte Schrei), und entfernte den braunen Flaum, der während des
vergangenen Tages und der letzten Nacht gewachsen war, mit
Geschicklichkeit und Präzision. Wie alle meine Verrichtungen
folgt der Rasiervorgang bei mir einem ganz bestimmten vorgegebenen
Muster; ich ziehe jeden Morgen die gleiche Anzahl von Streifen in der
gleichen Länge, in der gleichen Reihenfolge. Wie immer empfand
ich den aufsteigenden Kitzel der Erregung bei der Betrachtung der
peinlich sauber geschorenen Oberfläche meines Gesichts.
    Ich putzte und bohrte mir die Nase frei, wusch mir die Hände,
säuberte den Rasierapparat, die Nagelschere, die Dusche und das
Waschbecken, spülte die Frottiertücher aus und kämmte
mir die Haare. Glücklicherweise hatte ich keine Pickel, so
daß nichts weiter nötig war als eine abschließende
Wäsche der Hände und eine frische Unterhose. Ich plazierte
all meine Waschutensilien, Handtücher, Rasierapparat und so
weiter genau an die Stellen, wohin sie gehörten, wischte etwas
niedergeschlagenen Dampf vom Spiegel des Badezimmerschranks und ging
in mein Zimmer zurück.
    Dort zog ich Socken an, grün für diesen Tag. Weiterhin
ein khakifarbenes Hemd mit Taschen. Im Winter hätte ich ein
Unterhemd unter und einen grünen Armeepullover über das
Hemd angezogen, im Sommer jedoch nicht. Als nächstes kam meine
grüne Cordsamthose, gefolgt von meinen fahlen Turnschuhen, von
denen ich das Firmenzeichen abgetrennt hatte wie von allen meinen
Sachen, weil ich mich weigere, für irgend jemanden Reklame zu
laufen. Meine Kampfjacke, das Messer, die Umhängebeutel, die
Schleuder sowie alles andere Zubehör nahm ich mit hinunter in
die Küche.
    Es war noch früh, und der Regen, der tags zuvor
angekündigt worden war, war offenbar im Begriff niederzugehen.
Ich nahm mein bescheidenes Frühstück ein und war
fertig.
    Ich ging in den frischen, feuchten Morgen hinaus und bewegte mich
schnell, um mich warm zu halten und die Insel zu umrunden, bevor der
Regen einsetzte. Die Hügel jenseits der Stadt waren in Wolken
gehüllt, und das Meer kräuselte sich im auffrischenden
Wind. Tau machte das Gras schwer; Dunsttropfen beugten die
ungeöffneten Blüten und hafteten auch an meinen
Opferpfählen, benäßten wie durchsichtiges Blut die
verschrumpelten Köpfe und die winzigen verwesenden
Körper.
    Irgendwann heulte ein Paar Düsenflugzeuge vom Typ Jaguar
über die Insel, Flügel an Flügel in einer Höhe
von hundert Metern und mit hoher Geschwindigkeit; sie
überquerten die ganze Insel in der Zeit eines Wimpernschlags und
jagten aufs Meer hinaus. Ich sah ihnen nach, dann setzte ich meinen
Weg fort. Einmal hatten mich welche veranlaßt, vor Schreck
einen Satz zu machen, ein anderes Paar, einige Jahre zuvor. Sie
flogen unerlaubt tief nach einer Scheinbombardierung auf den
Truppenübungsplatz direkt unten bei der Förde und donnerten
so plötzlich über die Insel, daß ich aufsprang,
gerade während ich mit der kniffligen Arbeit beschäftigt
war, eine Wespe von dem alten Baumstumpf in der Nähe des
zusammengebrochenen Schafspferchs am nördlichen Ende der Insel
in ein Glas zu locken. Die Wespe stach mich.
    Ich ging noch am selben Tag in die Stadt, kaufte mir ein
naturgetreues Plastikmodell eines Jaguar-Bombers, bastelte den
Bausatz am Nachmittag zusammen und zerfetzte ihn mit einer kleinen
Rohrbombe auf dem Dach des Bunkers in aller Feierlichkeit in tausend
Stücke. Zwei Wochen später stürzte ein Jaguar bei
Nairn ins Meer, obwohl sich der Pilot noch rechtzeitig mit dem
Schleudersitz retten konnte. Ich bildete mir gern ein, daß
meine Macht diesen Unfall damals bewirkt hatte, doch ich habe den
Verdacht, daß es sich um puren Zufall handelte;
hochgezüchtete Düsenflugzeuge stürzten so oft ab,
daß es nicht allzu überraschend war, wenn meine
symbolische und die tatsächliche Zerstörung innerhalb von
vierzehn Tagen aufeinander folgten.
    Ich saß auf dem Erdwall, von dem man auf den Muddy Creek
hinuntersah, und aß einen Apfel. Ich lehnte mich an den jungen
Baum zurück, der als Schößling für mich Der
Killer gewesen war. Inzwischen war er gewachsen und ein gutes
Stück größer als ich, doch als ich noch jünger
war und wir die gleiche Größe hatten, hatte er

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