Die Wiederkehr des Meisters
schüttelte sie den Kopf und griff in ihren Koffer.
Dort waren alle ihre Schätze: Fotos, Briefe, ein Tagebuch, Kindheitsandenken.
Ihre Finger glitten über den Kofferboden, dann hob sie ihn heraus. Niemand außer ihr wußte, daß der Koffer einen doppelten Boden hatte. Und niemand außer ihr hatte je das Geheimfach darunter gesehen. Und niemand außer ihr wußte etwas von den Pfählen und den Kreuzen, der Hostie, dem Knoblauch oder dem Krug mit dem Weihwasser. Rasch raffte sie alles zusammen und stopfte es in eine Tasche.
Fast ehrfürchtig zog Buffy einen besonderen todbringenden Pfahl hervor. Er lag in ihrer Hand, als sei er für sie geschaffen, als bildete er eine Verlängerung ihres Arms. Diesen Pfahl ließ sie vorsichtig in ihren Ärmel gleiten.
Sie stand auf und ging zur Tür, preßte ihr Ohr gegen das Holz. Eine Weile stand sie reglos da und lauschte. Dann schlich sie auf Zehenspitzen zum Fenster, öffnete es und kletterte hinaus in die Nacht.
22.
„Ältere Jungs sind die einzigen, die sich lohnen“, sagte Cordelia blasiert. Sie hielt wieder hof - diesmal im Bronze - und saß mit ihren Anhängerinnen, die sie bewundernd umringten, an einem Tisch auf der Galerie.
„Die sind einfach eine Klasse besser“, fuhr Cordelia fort. „Aber die Jungs aus unserer Stufe - vergiß es. Das sind doch noch Kinder. So wie Jesse. Habt ihr ihn gestern abend gesehen?“ Sie verdrehte die Augen voller Belustigung und Verachtung. „Er folgt mir überallhin. Wie ein kleiner Hund. Das weckt höchstens Mutterinstinkte!“ Sie beugte sich vor und sah ihre Gefolgschaft überlegen an. „Ältere Jungs sind geheimnisvoll, sie haben so ein. wie heißt das noch mal? Na ja, egal. Jedenfalls haben sie Autos.“
Raine, die neben ihr saß, öffnete den Mund. Doch Cordelia unterbrach sie, bevor sie das erste Wort ausgesprochen hatte.
„Ich bin einfach nicht der Typ, der sich bindet“, erklärte sie. „Wenn ich in eine Boutique gehe, muß ich immer das Teuerste haben, und zwar nicht, weil es teuer ist, sondern weil es mehr kostet.“
Wieder versuchte Raine etwas zu sagen. Und wieder schnitt ihr Cordelia das Wort ab.
„Kann ich meinen Satz bitte wenigstens noch beenden?“ Sie warf ihr einen tödlichen Blick zu. „Oh! Mein Lieblingsstück!“
Sie sprang auf und eilte mit ihren Freundinnen im Schlepptau die Treppe hinunter zur Tanzfläche. Selbstgefällig sonnte sie sich in den bewundernden Blicken des männlichen Publikums und dem neidischen Starren der anderen Mädchen. Sie wußte, daß sie phantastisch aussah.
Das war der Moment, in dem Jesse das Bronze betrat. Nicht der Jesse, den Cordelia gekannt und verachtet hatte; dieser Jesse war ein neuer Mann.
Er stolzierte nun cool, fast angeberisch daher, und in seinen Augen lag ein unerschütterliches Selbstbewußtsein.
Er blickte geradewegs zu Cordelia.
Und grinste.
Vor dem Eingang des Bronze war es relativ ruhig. Ein paar Nachzügler standen lässig an die Wand gelehnt und unterhielten sich lachend, doch sonst war die Straße menschenleer.
Zuerst bemerkte niemand die acht schattenhaften Gestalten, die ohne Eile die Straße überquerten. Ihre Gesichter waren in dem trüben Schein der flackernden Straßenlaternen nicht zu erkennen, und keiner von ihnen sagte ein Wort. Nicht einmal Luke.
Jesse strich langsam durch die Menge und drehte einen Kreis um Cordelia, wobei er sie nicht aus den Augen ließ. Doch erst nach einigen Minuten erregte sein brennender intensiver Blick ihre Aufmerksamkeit.
Als ihr plötzlich klar wurde, wer sie da so fixierte, starrte sie ihn nur verblüfft an.
Er hatte sich irgendwie verändert.
Es war etwas, das sie nicht genau benennen konnte, aber auf jeden Fall war es auf eine seltsame Weise verführerisch.
Das Stück - ihr Lieblingsstück - war zu Ende. Cordelia hörte auf zu tanzen und eilte von der Tanzfläche.
Und unversehens war er da. Er stand direkt vor ihr und versperrte ihr den Weg. Er lächelte sanft - und wissend.
„Was willst du denn?“ fragte Cordelia drohend.
Doch sie konnte niemanden täuschen; sich selbst nicht, und Jesse erst recht nicht. Wortlos nahm er ihre Hand und führte sie zurück auf die Tanzfläche.
„Hey!“ widersprach Cordelia. „Hey, du Neandertaler! Wofür hältst du dich?“
Er wandte sich zu ihr um und sah sie mit einem unwiderstehlichen Lächeln an.
„Halt den Mund“, sagte er nur.
Sie hätte nie gedacht, daß er so gut tanzen konnte. Er führte sie in die Mitte der Tanzfläche, hielt sie an der Hand
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