Die Wiederkehr
der Männer hinter Frederic traten und ihn brutal in die Höhe rissen, aber er achtete nicht weiter darauf, sondern ging dorthin,
wo Katie lag, und ließ sich neben ihr auf die Knie sinken.
Der Zauber war mit ihrem Tod erloschen. Ihr Antlitz war wieder zu
dem von Krankheit und Schmutz gezeichneten Gesicht geworden,
vor dem Andrej so sehr erschrocken war, als er es das erste Mal gesehen hatte.
Trotzdem streckte er - unendlich behutsam, als berühre er eine zarte
Pflanze und hätte Angst, sie durch die kleinste Unachtsamkeit zu
zerstören - die Hand aus und schloss ihre Augen.
Als er aufstand und sich umwandte, stand Soliman vor ihm. »Kanntet Ihr diese Frau?«, fragte er.
Andrej schüttelte den Kopf. »Nein.«
Soliman setzte dazu an, etwas darauf zu antworten, beließ es aber
dann bei einem Achselzucken und drehte sich wieder zu Frederic um.
Zwei seiner Krieger hatten ihn gepackt und hielten seine Arme, ein
weiterer stand vor ihm und hielt ihm ein Schwert an die Kehle.
»Was ist das für eine Kreatur, Andrej Delãny?«, fragte er, drehte
sich wieder um und fügte hinzu. »Und was seid Ihr?«
»Wir sind uns gar nicht so unähnlich«, antwortete Andrej leise.
»Wenn auch nur in dem, was wir sind. Nicht in dem, was wir tun.«
Für einen winzigen Moment blitzte eine Mischung aus Zorn und
Furcht in den Augen des Sultans auf. Aber er sagte nichts. Stattdessen ließ er seinen Blick über die reglos daliegenden Gestalten der
Untoten schweifen, und Andrej konnte regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Nur zu viele der schrecklichen Gestalten
trugen die Kleider seiner eigenen Soldaten. Der Krieger, die er Frederic mitgegeben hatte, um Wien zu erobern. Vielleicht begann er
allmählich zu begreifen, welchen Preis es kosten konnte, sich mit den
falschen Verbündeten einzulassen.
»Ihr solltet Euch überlegen, ob es den Preis wert ist, diese Stadt erobern zu wollen«, sagte Andrej leise.
Soliman sah ihn nachdenklich an. Andrej war klar, wie gefährlich
es sein konnte, einem Mann wie ihm zu drohen, selbst jetzt noch und
hier, doch schließlich hob der Sultan nur die Schultern. Statt auf seine Worte einzugehen, sagte er: »Wie es aussieht, habt Ihr mir das
Leben gerettet, Andrej Delãny. Was verlangt Ihr als Belohnung?«
Andrej überlegte nur einen Moment, bevor er sich halb herumdrehte und auf die Hand voll Männer deutete, die von der Truppe übrig
geblieben waren, die von Salm ihnen mitgegeben hatte. Beiläufig
registrierte er, dass Abu Dun zu Frederic getreten war und leise mit
ihm sprach, und trotz allem hätte er sich gewünscht, er hätte es nicht
getan. Er war Frederic nichts schuldig, doch das Schicksal, das ihn
erwartete, war schlimm genug. »Diese Männer haben tapfer gekämpft«, sagte er. »Vielleicht ist ihr aller Leben zusammen ja so viel
wert wie das eines Sultans.«
Soliman überging den sanften Spott in Andrejs Stimme. Er nickte
ernst. »Wir werden ihre Wunden versorgen und sie in Frieden ziehen
lassen«, sagte er. »Was noch?«
»Nichts«, antwortete Andrej. »Nichts als das, wozu Ihr Euch ohnehin schon entschieden habt, wie ich vermute. Nehmt Eure Männer
und geht nach Hause, Sultan.«
Soliman schwieg, aber Andrej las die Antwort in seinen Augen. Der
Krieg war vorbei.
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und winkte Abu Dun.
Der Nubier starrte Frederic noch einen endlosen Augenblick lang an,
dann fuhr auch er herum, als müsse er einen fühlbaren Widerstand
überwinden, und trat an seine Seite. Sein Gesicht war wie aus Stein
gemeißelt, aber in seinen Augen stand etwas geschrieben, das an
Entsetzen grenzte.
»Was?«, fragte Andrej.
Abu Dun setzte zu einer Antwort an, deutete schließlich nur ein
Kopfschütteln an und entfernte sich ein paar Schritte, bevor er wieder
stehen blieb und ins Leere starrte.
Andrej sah alarmiert zu Frederic hin. Die Augen des Vampyrs loderten in blanker Todesangst, doch tief darunter glaubte er auch noch
etwas anderes zu entdecken: einen wilden, bösen Triumph, dessen
bloßer Anblick Andrej einen eisigen Schauer über den Rücken laufen
ließ.
»Geh endlich, alter Freund«, krächzte er. »Geh zu deinem Mohren.
Ich habe ihm ein Abschiedsgeschenk für dich mitgegeben.«
»Was hat er damit gemeint?«, fragte Andrej, als er neben den Nubier trat. Abu Dun sah ihn nur an, aber dann hob er die Schultern und
ging los. Andrej folgte ihm.
Erst als sie die Halle längst verlassen hatten und weit vor ihnen das
erste Tageslicht am Ende der
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