Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
»Zum Beispiel damit, Sultan Solimans
Truppen abzuschlachten.«
»Solimans Truppen?«, wiederholte Andrej verständnislos.
»Sie sind vor einer Weile durch die Mauern gebrochen«, antwortete
Katie. »Nicht allzu viele. Die Soldaten werden sie wohl zurückschlagen können, aber an die hundert sind in die Katakomben eingedrungen. Soliman selbst ist bei ihnen.« Sie hob die Schultern. »Ich glaube
nicht, dass er es auf den Schlüssel der Stadt abgesehen hat. Nicht
heute.«
Andrej war verwirrt, aber er spürte zugleich auch, dass ihre Worte
einen gewissen Sinn ergaben. Dass Soliman Frederic nicht traute und
den Handel, den er mit ihm abgeschlossen hatte, schon längst bedauerte, war ihm vollkommen klar, spätestens seit dem Gespräch zwischen Frederic und dem Sultan, das er belauscht hatte. Und nach allem, was er über Soliman wusste, passte es durchaus zu ihm, zuerst
die Gefahr zu beseitigen, die er selbst heraufbeschworen hatte, bevor
er sich seinem eigentlichen Ziel zuwandte.
Als hätte sie seine Gedanken gelesen, sagte Katie: »Es wird ihm
nicht gelingen. Die Kreaturen deines Freundes sind dabei, seine
Krieger einzukreisen. Sie laufen in eine Falle. Vielleicht bringen sie
sich ja gegenseitig um.« Sie hob die Schultern, um zu verstehen zu
geben, wie gleich es ihr war.
Andrej sah sie noch einen Moment lang nachdenklich an, dann
drehte er sich um und bedeutete Abu Dun in der einfachen Zeichensprache, mit der sie sich zu verständigen wussten, ihm zu folgen,
dabei aber einen gewissen Abstand zu halten. »Zeig uns den Weg«,
bat er dann, wieder an Katie gewandt.
Mit der gleichen Lautlosigkeit, mit der sie sie auch durch die Katakomben geführt hatte, wandte sich die junge Frau um und eilte vor
ihm her durch den gewölbten Gang. Andrej lauschte gebannt auf
jedes Geräusch, zugleich aber auch in sich hinein. Frederics Präsenz
schien schwächer geworden zu sein, als hätte er sich von ihnen entfernt, statt näher zu kommen.
»Wie lange lebst du schon hier unten?«, fragte er plötzlich.
»Ein Jahr«, antwortete sie. »Vielleicht auch länger. Zeit bedeutet
hier nichts.«
»Und vorher?«
Die junge Frau zuckte mit den Schultern, und die brennende Fackel
in ihrer Hand übertrug die Bewegung als einen Schauer kurzlebiger
roter Lichtblitze auf die Wände, als zucke nicht nur sie unter dieser
Frage zurück. Fast zu Andrejs Überraschung antwortete sie nach einer Weile jedoch darauf. »Ich war nichts Besonderes, wenn es das
ist, was du hören willst. Nur eine Bedienung in einem Gasthaus. Aber es war ein gutes Leben. Ich war zufrieden damit.«
»Und was ist geschehen?«, fragte Andrej.
»Nichts«, antwortete Katie. »Jedenfalls nichts Dramatisches, wenn
du darauf wartest. Ich wurde krank, das ist alles. Ich habe weder das
Schicksal herausgefordert noch habe ich mich mit dem Teufel eingelassen oder irgendeinen anderen Frevel begangen, für den ich Gottes
Zorn verdient hätte. Ich wurde einfach nur krank. Meine Schönheit
verging. Irgendwann bekam es der Wirt mit der Angst zu tun, dass
mein Anblick seine Gäste verschrecken könnte. Also hat er mich
rausgeworfen - zuerst aus seinem Bett und dann aus seinem Haus.«
Sie brach ab und sah ihn an, als erwarte sie eine ganz bestimmte
Reaktion von ihm, doch was hätte er schon sagen sollen? Auch sein
Leben war vom Schicksal mit grausamer Beiläufigkeit zerstört worden, und er hatte sich bis heute vergeblich gefragt, warum. Vielleicht
hatte er gerade die schrecklichste aller vorstellbaren Antworten bekommen: Es gab keinen Grund. Wenn es wirklich so etwas wie eine
bestimmende Macht hinter den Dingen gab, dann war er ihr längst
nicht wichtig genug, um ihm bewusst ein Leid zuzufügen.
»Was werdet ihr tun, wenn die Türken Wien erobern?«, wollte er
wissen.
»Was sollen wir schon tun?«, gab Katie zurück. »Nichts. Wir haben
von ihnen so wenig zu erwarten wie von den jetzigen Herren der
Stadt. Da ist keiner unter uns, den sie nicht hätten sterben lassen, als
er noch oben gelebt hat. Und keiner unter ihnen, der nicht sterben
würde, käme er hier herunter. Was interessiert es uns, wessen Fahne
über der Stadt weht? Lass sie brennen!«
Sie blieb plötzlich stehen, schien mit schräg gehaltenem Kopf zu
lauschen und hob dann warnend die andere Hand. »Still jetzt!«
Weder Frederics Präsenz noch die seiner unheimlichen Krieger war
stärker geworden, aber Andrej hörte jetzt andere Geräusche, die von
ganz normalen, lebenden Menschen stammten, doch kaum

Weitere Kostenlose Bücher