Die wir am meisten lieben - Roman
erneut.
»Diane, was machst du da?«
»Du hast mich rufen hören, als du in der Küche mit Dolores warst, stimmt’s? Und du bist raufgekommen und hast uns streiten gehört. Du hast in der Tür gestanden und gesehen, wie er mich geschlagen hat. Okay? Tommy, sieh mich an. Das ist wichtig.«
Sein Blick wanderte zu Rays Leiche. Diane packte ihn an den Schultern und zwang ihn, sie anzusehen.
»Ich konnte mich von ihm befreien, bin hier rübergerannt, auf die andere Seite vom Bett, okay? Und ich habe den Revolver aus der Schublade genommen – ich habe ihn genommen. Nicht du! Und ich habe auf ihn gezielt und gesagt, er solle mir fernbleiben, genau wie du. Ich habe es gesagt, nicht du. Du hast nur von der Tür aus alles beobachtet, verstehst du? Tommy, hör mir zu!«
»Ja.«
»Dann habe ich gesagt, er solle den Safe aufmachen und die Pässe herausgeben, aber er rannte auf mich zu, und dann habe ich abgedrückt.«
»Aber Diane, das ist nicht –«
|353| »So war es. Ich habe es getan, nicht du. Wenn wir beide behaupten, dass es so gewesen ist, dann wird alles gut. Jetzt geh und wasch dir die Hände.«
Diese Geschichte erzählten sie den Polizeibeamten, die sie befragten, und sie blieben dabei, lange, nachdem Tom klar war, dass seine Mutter unrecht hatte und nicht alles gut werden würde.
Von Anfang an wusste er, Diane log nur, um ihn zu schützen. Später fragte er sich, ob es zwischen dieser und der anderen großen Lüge in ihrem Leben eine Verbindung gab. Vielleicht dachte sie, die Lügerei hatte ja schließlich funktioniert, jedenfalls so lange, bis die Wahrheit aufgedeckt werden konnte. Vielleicht hatte sie sich eingeredet, dass diese neue Lüge auch in beider Interesse war.
Nach Dannys Geburt überlegte Tom oft, ob er dasselbe tun würde: die Fingerabdrücke seines Kindes von einer Waffe abwischen und die Schuld auf sich nehmen. Er wusste es nicht.
Da er dazu neigte, sich selber die Schuld zu geben, fragte er sich auch, ob er Diane im Stich gelassen hatte. Er wusste, er hätte ihren Anweisungen mehr Aufmerksamkeit schenken sollen, denn ihre getrennt gemachten Aussagen waren voller Widersprüche, insbesondere in Bezug darauf, was Ray gesagt oder nicht gesagt hatte, bevor Diane den tödlichen Schuss abgefeuert hatte.
Die Polizisten waren freundlich, aber sie hörten nicht auf, ihm diese hinterlistigen Fragen zu stellen. Er erzählte ihnen, wo Diane und er die ganze Zeit gewesen waren, und wahrscheinlich viel mehr, als er hätte preisgeben sollen. Er sagte, wie nett Cal war, und erwähnte sogar, dass Diane im Zug gesagt hatte, dass er und sie vielleicht heiraten würden, wenn sie von Ray geschieden war. Damals merkte er es nicht, aber sie mussten hellhörig geworden sein.
Immer wieder wollten sie wissen, ob Diane ihn in irgendeiner |354| Weise instruiert hatte. Und es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass sie nicht ihn im Verdacht hatten, sondern versuchten, es wie Notwehr aussehen zu lassen. Je mehr er versuchte, zu helfen, desto mehr verhedderte er sich in Lügen. Schließlich versuchte er, ihnen die Wahrheit zu sagen. Doch da wollten sie ihm nicht mehr glauben.
»Die Fingerabdrücke deiner Mutter sind auf der Waffe, nicht deine, Tommy.«
»Ich weiß, sie wollte die Schuld auf sich nehmen. Sie hat meine abgewischt – auch vom Griff an der Schublade. Ich habe geschossen. Sie müssen mir glauben.«
»Du bist sehr tapfer, Sohn, versuchst, deine Mutter zu verteidigen. Aber es passt nicht.«
»Aber es ist die Wahrheit!«
Diane blieb in Untersuchungshaft. Und bis Cal anreiste, auch Tom. Er galt als Hauptzeuge und wurde in ein Jugendgefängnis überführt. Er konnte sich nur noch daran erinnern, dass es nicht annähernd so schrecklich war wie das Internat in England. Ein oder zwei Jugendliche waren wirklich gemein, aber wenigstens gab es keine Psychopathen wie Whippet Brent.
Cal mietete ein Apartment in West Hollywood. Tom erinnerte sich noch, wie sie durch die Jalousien lugten, zu den Reportern und Fotografen, die in den ersten Wochen unter den Bäumen auf der Straße warteten und rauchten und lachten. Schließlich schienen sie das Interesse zu verlieren. Tommy ging wieder auf die Carl-Curtis-Schule und wechselte im Herbst auf die Junior High.
Diane wurde des Mordes angeklagt. Bei der Anhörung über die Festsetzung einer Kaution beschrieb die Anklage sie, so las Tom später in Zeitungsausschnitten, als kaltblütige Mörderin und deutete sogar an, dass Rays Tod nicht ein Akt häuslicher Gewalt war,
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