Die Wohltäter: Roman (German Edition)
antworten sollten, was Strömmer das Ganze angeht.«
Emil blickte ihn interessiert an. »Aha?«
Einen Tag später, am Ostersonntag, tauchte Ninos erneut bei Emil auf, der sich gerade Weingummi aus einem vergessenen Osterei in den Mund schob. Ninos hatte Fotos dabei, die er selbst gemacht hatte, und ein Interview mit einer eleganten blauhaarigen Dame namens Signe. Signe war fünfundachtzig Jahre alt und gehörte zu den reizendsten Personen, die Ninos je kennengelernt hatte.
Sie war zu hundert Prozent Schwedin und hatte während des Krieges bei der Freiwilligenorganisation für Frauen im schwedischen Militär mitgewirkt und für Hunderte von Menschen Erbsensuppe gekocht. Signe war Witwe, wohnte in Vasastan und kaufte jedes Mal, wenn ihre Rente überwiesen wurde, ein Rubbellos. Zusätzlich sparte sie mit staatlichen Wertpapieren und fand, dass Tage Erlander, der unter seiner Regierungszeit den schwedischen Wohlfahrtsstaat vorangebracht hatte, ein fescher Kerl gewesen sei. Sie war der Meinung, man dürfe nicht bei den Steuern schummeln, und produzierte einer Textilfabrik gleich selbstgestrickte Mützen und Handschuhe für ihre Enkelkinder. Nie verpasste sie die Gelegenheit, eine Münze in eine Sammelbüchse zu stecken, die ihr in den Weg kam. Man sollte helfen, so gut man konnte.
Sie war der Meinung, alles, was mit Gott zu tun habe, sei Unsinn, aber Ninos verspürte dennoch eine solche Seelenverwandtschaft zu ihr, dass er sie, nachdem sie ihm ihre Lebensgeschichte erzählt hatte, zum Abschied fest an sich drückte. Signe hatte gekichert und bereitwillig für ein Foto vor dem HHH-Geschäft posiert.
Er hatte sie vor dem Laden am Sveaväg abgefangen, bei dem sie gerade eine fest verschnürte Tüte mit der alten Kleidung ihres verstorbenen Mannes abliefern wollte. Sie hoffte, dass sie irgendwo auf der Welt einen guten Zweck erfüllen würden, sagte sie. Außerdem hatte sie einen Fünfzig-Kronen-Schein in ihrer Geldbörse, den sie in die Sammelbüchse im Laden stecken wollte. Sie hatte beschlossen, diesen Monat auf das Rubbellos zu verzichten. Bereitwillig hatte sie sich interviewen lassen, nachdem Ninos wie eine verirrte Rakete auf sie zugestürmt war und mit den Armen gerudert hatte, als ginge es um Leben und Tod.
»Ein Leser, der nicht erschüttert ist, wenn jemand Signe betrügt, wird nie in seinem Leben erschüttert sein«, stellte Emil gutgelaunt fest, nachdem er Ninos’ Aufzeichnungen studiert hatte.
So begann der Artikel mit Signes Fahrt zu HHH – und endete mit ihrer Besorgnis darüber, dass ihr Geld womöglich nicht ordnungsgemäß ankam. »Wo landet Signes Geld?«, lautete die Bildunterschrift.
Dazwischen wurden die Vorwürfe auf pathetische Weise aufgezählt:
Eine der anerkanntesten Wohltätigkeitsorganisationen Schwedens wird von einer Sekte geführt, die in mehreren europäischen Ländern als demokratiegefährdend eingestuft wurde. In einer einzigartigen Dokumentation kann die Morgenzeitung erstmals offenlegen, dass Hilfe von Hand zu Hand der dänischen Sekte Die Ausbilder unterstellt ist.
Zuerst wurde die Überweisung von HHH an Jens Karsten Møllers letzte registrierte Adresse angeführt, wo auf dem Briefkasten auch die Namen zweier schwedischer Vorstandsmitglieder standen. Dann folgte ein Foto der verschlossenen Türen und des Funkmasten, die den Abschluss von Ninos’ Reise nach Dänemark gebildet hatten. Anschließend berichteten Ninos und Emil, wie die Ausbilder jahrelang die dänischen Behörden hinters Licht geführt hatten. Alles, was an den Dokumenten, die Ninos aus der Sortieranlage mitgenommen hatte, sonst noch nützlich war, zählten sie auf: eine Rechnung von einer Druckerei, die es nicht gab, hohe Mietkosten, um im ganzen Land Container aufstellen zu dürfen, und eine Vielzahl an Überweisungen auf ausländische Konten.
Der Artikel behauptete nicht direkt, dass etwas daran stimmte. Stattdessen stand im Anschluss eine Passage, in der es Emil gelungen war, Schwedens berüchtigtsten Staatsanwalt in Sachen Wirtschaftsverbrechen zu einer allgemein gehaltenen Aussage darüber zu bewegen, wie man Unternehmen von Gewinnen bereinigen konnte und wie Firmen im Rahmen organisierter Wirtschaftskriminalität gern mit falschen Rechnungen arbeiteten. Die Beschreibung des Staatsanwalts stimmte schockierend genau mit sämtlichen Beispielen von HHH überein, selbst wenn er immer wieder unterstrich, dass er sich über diesen speziellen Fall nicht äußern konnte.
Auch die Schule der Ausbilder in
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