Die Wohltäter: Roman (German Edition)
Dänemark, die Ninos besucht hatte, wurde genau beschrieben, inklusive des Details, dass dort HHH-Plakate an den Wänden hingen. Der Leser erhielt auch einen Einblick in die miserable Wohnung in Rinkeby, in der die Freiwilligen untergebracht waren und deren Mietvertrag auf den Namen eines verstorbenen Vorstandsmitgliedes lief. Eine Anzahl Freiwilliger wurde zitiert, dass ihre Chefin bekanntermaßen Ausbilderin war und wie sie mitunter in den Geschäften der HHH arbeiteten, weil beide Bewegungen zusammenhingen.
Der Bericht fuhr fort:
Junge, idealistische Männer und Frauen aus der ganzen Welt werden dazu verleitet, wertlose Ausbildungen zu absolvieren, um in den Wohltätigkeitsprojekten der Bewegung in Afrika, Südamerika und Indien arbeiten zu dürfen. Während der Ausbildung werden sie gebrochen, um später für das angeworben zu werden, was sowohl Aussteiger als auch Behörden als Sekte bezeichnen. Die Freiwilligen, die ihre Ausbildung oft teuer erkaufen, gehören zu einer Gruppe von weltweit mindestens zehntausend Menschen, die Jens Karsten Møller bereichern: Der Däne ist bereits seit dreißig Jahren untergetaucht.
Dann folgte Ninos Lieblingsabschnitt, in dem die Morgenzeitung beinahe schon beiläufig berichtete, dass HHH von Sida in den letzten Jahren mit staatlichen Fördergeldern in Höhe von mehr als zehn Millionen Kronen bedacht worden war und dass kurz nach Ostern ein Beschluss über weitere fünfzehn Millionen zur Diskussion stand. Die Entwicklungshilfeministerin, die man um einen Kommentar gebeten hatte, ließ ausrichten, dass sie derzeit mit ihren Kindern in einem Wintersportgebiet in den französischen Alpen »Qualitätszeit« im Rahmen der Osterferien verbringe und sich aus diesem Grund leider nicht zu einem Thema äußern könne, über das sie nicht in Kenntnis gesetzt war. Darüber hinaus ließ sie jedoch wissen, dass alle Wohltätigkeitsprojekte einer kontinuierlichen Kontrolle unterlägen. Die Pointe war mehr als deutlich. Nicht nur Signes Fünfzig-Kronen-Schein stand auf dem Spiel, sondern auch ein nicht unbedeutender Teil ihrer Steuergelder.
Beinahe die Hälfte des merkwürdigen Kommentars von HHH wurde ebenfalls veröffentlicht, in einem kleinen Fenster, wo sie unter anderem auch darauf hinweisen durften, dass sie ein 90er-Konto führten. Die Stiftung für Spendensammlung war während des Osterwochenendes ebenfalls nicht erreichbar gewesen. Das sprach für sich, fanden Ninos und Emil.
Ninos besaß kein Zeitungsabonnement, doch am Tag vor der Veröffentlichung stand er um vier Uhr morgens auf und wartete auf den Zeitungsboten. Als er gegen fünf den Wagen erblickte, rannte er im Schlafanzug auf die Straße, um ein Exemplar zu erstehen.
»Diese Zeitungen sind nicht zu verkaufen. Sie wurden abonniert«, teilte ihm der Bote griesgrämig mit.
»Bitte! Sie bekommen einen Fünfziger von mir. «
»Dann nehmen Sie sich eben eine, wenn es so wichtig für Sie ist.«
Ninos stürmte in die Wohnung zurück und schaltete das Licht in der Küche ein. Der Artikel über HHH stand ganz oben auf der ersten Seite. Im Innenteil der Zeitung waren die vier Seiten genauso veröffentlicht, wie sie am Tag zuvor auf den Bildschirmen in der Redaktion ausgesehen hatten. Aber jetzt, wo sie abgedruckt waren, fühlte sich das Ganze noch wirklicher an. Ninos las die Einleitung wieder und wieder. Am häufigsten aber las er seinen eigenen Namen am Ende des Artikels, neben Emils. Ninos Melke Mire. Er fuhr einige Male mit dem Zeigefinger darüber, bis sein Finger voller Druckerschwärze war. Dann betrachtete er eine Zeit lang seinen Finger. Er war hungrig, aber er verspürte nicht den gleichen gierigen Panikhunger wie an anderen Vormittagen. Stattdessen kribbelte es behaglich in seinem Körper.
Gegen halb acht erreichte ihn die erste Reaktion. Es war seine Mutter, aber das Gespräch verlief nicht ganz so, wie er es sich vorgestellt hatte. Ein Nachbar hatte ihr den Artikel vorgelesen, und sie war äußerst aufgebracht.
»Wie kannst du Schweden und die schwedische Regierung beschimpfen? Das klingt ja, als hätten sie den Fehler begangen«, jammerte seine Mutter auf Assyrisch. »Ich verstehe nicht, was du treibst. Eine Frau würde dich von solchen Problemen fernhalten.«
Ninos seufzte. Seine Mutter hatte nicht viel Verständnis für seine Bemühungen, ein neues Leben anzufangen, es sei denn, es umfasste eine Ehefrau und einige Enkelkinder.
»Es handelt sich nicht um ein Problem«, sagte er leise.
»Wir haben neue
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