Die Wohltäter: Roman (German Edition)
geschossen, und mit diesem Stand endete das Spiel auch. Ein enttäuschtes Raunen ging durch die assyrischen Ränge.
Ninos, Zoran und Sofia bewegten sich im Rhythmus der Massen langsam nach draußen. Zoran hatte keine Lust gehabt, seinen schwarzen Geländewagen auf dem Parkplatz abzustellen, und ihn stattdessen direkt unter einem Baum am Südausgang geparkt.
»Wartest du hier mit Sofia, dann hole ich den Wagen«, bat er Ninos. Sie stellten sich vor den Eingang und warteten auf Zorans Rückkehr. Sofia lächelte Ninos an, schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen und ließ sich von ihm Feuer geben. Sie blies den Rauch hinaus und begann zu sprechen, Englisch mit italienischem Akzent.
»Zoran sagt, du seist der klügste Mann, den er kennt. Und dass wir zusammen ein kleines Projekt starten sollten. Ich freue mich schon darauf. Schweden wäre die perfekte Basis für das, was wir vorhaben.«
»Und warum?«, fragte Ninos neugierig.
Er begriff, dass Sofia nicht über sein Desinteresse an ihrem Plan informiert worden war, aber darum würde sich Zoran später selbst kümmern müssen.
»In unserer Welt schätzt man die Schweden sehr. Sie geben gern und reichlich, aber sie fordern nicht viel im Gegenzug.« »Sie verlangen keine ausführliche Rechenschaft, meinst du?«
»Genau. Wunderbare Kooperationspartner. Gli svedisi.« Sie blies ihm ihren Rauch ins Gesicht.
»Wie bist du eigentlich im Kosovo gelandet?«
Sie schob die Unterlippe vor und zuckte mit den Schultern. »Wir sind eine ... Firma, kann man wohl sagen, die überall dorthin geht, wo sie gebraucht wird. Es werden immer Menschen gebraucht, die Vertragliches regeln, wenn Länder nach einem Krieg wieder aufgebaut werden müssen. Die Gelder strömen herein, und wir helfen dabei, sie gerecht zu verteilen. Und effektiv.« Sie lächelte ihn verhalten an.
Sie ist in der internationalen Wohltätigkeitsbluffbranche, dachte Ninos. Falls es einen solchen Ausdruck überhaupt gab.
»Wir müssen uns ein wenig beeilen«, fuhr sie fort. »Man munkelt, dass der europäische Regierungsclub einen neuen Wirtschaftsprüfer einsetzen will, um für etwas mehr Ordnung zu sorgen. Im Grunde betrifft uns das nicht, aber wir müssen trotzdem so schnell wie möglich versuchen, alle Verträge abzuwickeln.« Sie lachte kurz auf.
Ninos lachte mit. Er kannte Zoran nur zu gut. Es schien ihm etwas zu durchschaubar, ihn hier mit dieser klugen und verführerischen Italienerin warten zu lassen. Wahrscheinlich würde er doppelt so lange wie üblich brauchen, um das Auto zu holen.
Gerade wollte Ninos zu einer umständlichen Erklärung darüber ansetzen, warum er wohl nicht die richtige Person für das geplante Projekt sei, als er eine wohlbekannte Gestalt im Priestergewand durch den Ausgang kommen sah. Es war Vater Yakup, der sich sofort umdrehte, als Ninos nach ihm rief.
»Mein Sohn! Geht es dir etwas besser?« Vater Yakup fiel ihm um den Hals und drückte ihn innig an sich.
»Danke, dass du mich empfangen hast«, entgegnete Ninos warm. Dann sah er Vater Yakup genauer an. Etwas stimmte nicht. Er lächelte, aber seine Augen lächelten nicht mit.
»Was ist passiert?«
Vater Yakup schüttelte resigniert den Kopf. »Mir bereitet so einiges Kopfzerbrechen, die Sorgen vieler Menschen lasten auf mir.« »Erzähl mir davon.«
»Ich weiß, dass du selbst gerade über vieles nachdenken musst. Ich möchte dir nicht noch mehr Fragen aufbürden.«
Ninos spürte eine wachsende Unruhe. Der Priester sah wirklich bedrückt aus. »Vater, bitte sag mir, warum so viel Trauer in deinen Augen liegt.«
»Die Klosterschule im Libanon. Sie muss schließen.«
Ninos fuhr zusammen, als hätte ihm Vater Yakup einen Schlag ins Gesicht verpasst. Er wusste genau, von welcher Schule die Rede war, denn er hatte enge Verbindungen zu ihr. Waisen und arme Kinder, deren Eltern nicht für ihre Schulbildung aufkommen konnten, hatten dort schon seit Jahrzehnten Unterricht und ein Dach über dem Kopf bekommen, und das Kloster war fast immer von Konflikten verschont geblieben. Viele der Kinder dort waren Assyrer. Sein eigener Cousin hatte im Kloster eine Bleibe gefunden, nachdem ein Teil der Familie vor vielen Jahren in Jordanien auseinandergerissen worden war. Wer nahm diesen elternlosen Kindern das Letzte, was ihnen noch blieb?
»Sie bekommen in Zukunft keine Förderung mehr, und die Mönche haben nichts gespart. Bisher hat Sida sie gefördert. Aber nun haben die schwedischen Politiker beschlossen, nichts mehr zu fördern, was
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