Die Wohltäter: Roman (German Edition)
aus dem Gedächtnis hervorzukramen. »Ich hoffe, das Spiel wird dir gefallen. Woher kommst du?«
»Grazie. Bologna« , sagte Sofia in etwas schleppendem Tonfall und lächelte ihn an, während sie sich setzten.
»Wir reden später. Sie hat den Plan. Es wird alles großartig werden! «, flüsterte Zoran Ninos vergnügt zu, während er sich aus dem Mantel schälte.
Kerne von Honig- und Wassermelonen wurden in Tüten herumgereicht. Andere Tüten enthielten Sonnenblumen- und Kürbiskerne. Sie waren gewaschen, gekocht, getrocknet und gesalzen worden, und die meisten Zuschauer kauten unermüdlich unter kurzen, knackenden Lauten darauf herum. Sofia lehnte artig ab, als die Tüte bei ihr ankam.
Ninos war gespannt. Jetzt oder nie. Wenn die Saison begann, könnten sie durch die Qualifikation für die Allsvenskan-Liga eine Chance bekommen, die erste Migrantenmannschaft zu werden, die jemals in einem westlichen Land in der ersten Liga gespielt hatte. Bereits im Testspiel galt es, seine Stärke zu beweisen. Ihr Volk war fast überall auf der Welt, egal wo, verfolgt und ermordet worden. Während der Saison kanalisierten sich alle Erniedrigungen und Rachegelüste in dieser einen Fußballschlacht. Ging es nach Ninos und den meisten anderen, war jedes Spiel auch eine Feldschlacht. Jeder Gewinn war gleichzeitig eine Rehabilitierung und eine minimale Anerkennung. Auf dieselbe Weise wurde jedes Besiegtwerden zu einer Erinnerung an alle Niederlagen, die man im Laufe der Geschichte erlitten hatte, und an alle Länder, in denen die Assyrer ihre Identität verleugnen mussten, um überleben zu können.
»Habt ihr wirklich auf der ganzen Welt Fans?«, fragte Sofia in Richtung Ninos, nachdem Zoran ihr diese Dynamik erklärt hatte. Ninos ballte gerade zur Anfeuerung seine Fäuste in der Luft, hielt aber inne, um zu erklären. Ja, die Assyrer hätten auf der ganzen Welt Mannschaften, berichtete er, aber die Södertäljemannschaften Assyriska und Syrianska waren besonders berühmt und wurden auch als Nationalmannschaft bezeichnet. Soweit er wusste, gab es kein anderes Land, in dem assyrische Mannschaften so große Erfolge hatten feiern können wie in Schweden.
»Zwei Mannschaften«, wunderte sich Sofia.
»Wir haben zwei Mannschaften mit unterschiedlichen Namen, aber es steckt dasselbe Volk dahinter.«
Sofia sah aus, als versuchte sie sich auf das soeben Gehörte zu konzentrieren. Zoran erkannte ihre Verwirrung und lachte. Dann legte er wieder den Arm um sie. »Niemand versteht das so richtig, kein Grund zur Beunruhigung.«
Über dem Rang wurden zwei gigantische, assyrische Flaggen entrollt. Rote und weiße Papierschnipsel wirbelten stoßweise in Richtung Södertälje. Beide Mannschaften wählten einen vorsichtigen Spieleinstieg. Es war deutlich, dass die zweiundzwanzig Männer auf dem Spielfeld nervös waren. Die assyrischen Spieler wollten sich gern behaupten, indem sie den alten Erzfeind Umeå FC vernichtend schlugen. Die Mannschaft aus dem Norrland wiederum hatte sich in vergangenen Spielzeiten gut entwickelt und würde sich im Bus nach Hause schämen, falls sie vor dem kleinen, allzu frechen Verein Assyriska zurückwich. Nachdem fünfzehn Minuten mit artigem Tanz über das Spielfeld vergangen waren, entschloss sich die Mannschaft aus Umeå, ihre Nervosität abzulegen und den Ton anzugeben. Der vordere Teil der Mannschaft ging zum Angriff über und pflügte dabei einen der Gegner um. Ninos spürte einen Phantomschmerz im Schienbein und versuchte, den Bruder auf dem Spielfeld durch reine Willenskraft wieder aufzurichten, was ihm nach einigen Minuten auch gelang.
Das Gute an diesem Zwischenfall war in jedem Fall ein Strafstoß für die Assyrer, den sie in einen Lupfer verwandelten, der zehn Meter in die Luft und von dort aus hinter dem etwas zu langsamen Torwart schräg ins Tor von Umeå flog.
» GHOOOOOOOOOOOOOOL «, echote ein vereinter Ruf über die Ränge, und aus unterschiedlichen Ecken drangen zehn verschiedene Hurra-Tiraden. »Lo lo lo Bagije, bagije lo bagije.«
Ninos hatte keine Ahnung, was das eigentlich bedeutete, aber so skandierten sie immer. Das Tor hinterließ einen süßen Nachgeschmack, und er schloss die Augen vor Glück. Seine Mutter schrie ihm direkt ins Trommelfell, aber das machte überhaupt nichts.
Das Spiel ging weiter mit Schreien, einem Tor für die gegnerische Mannschaft, einer Schiedsrichterbeschimpfung und einem Verletzten. Nach aggressiven Angriffen der Mannschaften hatten beide Seiten je zwei Tore
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