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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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täuschen können! Rupprecht dagegen hatte den richtigen Riecher bewiesen. Wie so oft aber hatte sie seine Warnung in den Wind geschlagen. Abermals schüttelte sie bekümmert den Kopf. Die letzten beiden Jahre waren alles, was ihm als Glück vergönnt gewesen war.
    Um sich nicht ganz der Trauer hinzugeben, hob sie den Blick, betrachtete abermals die Anhöhe. Mit der flachen Hand an der Stirn schirmte sie die Augen gegen die letzten Sonnenstrahlen ab. Bei dem größten der Häuser hatte sie damals jemanden stehen und winken sehen. Ob das Eric gewesen war? Ein bitterer Geschmack breitete sich in ihr aus. Sollte sie ihm tatsächlich so nah gekommen sein? Nichts hatte sich in ihr geregt, keine Ahnung sie erfüllt, dass dort ihr Kind auf sie warten könnte. Was war sie nur für eine schlechte Mutter!
    Die letzten Schritte wurden ihr schwer. Dabei war der Weg nicht einmal steil. In sanften Schwüngen wand er sich an den frisch gepflügten Feldern vorbei den Hügel hinauf. Ihr Herz klopfte, als wäre sie stundenlang gerannt, die Beine gehorchten nur widerwillig. Bang starrte sie auf das Haus direkt an der Kuppe. Der Größe nach musste es Bertas Anwesen sein. Einmal noch blieb sie stehen, gönnte sich ein letztes, tiefes Durchatmen, dann ging sie auf die Tür zu und klopfte an.
    Drinnen lachte ein Kind. Leichte Schritte näherten sich. Offenbar hüpfte das Kind zur Tür. »Warte, nicht so hastig! Wer weiß, wer das ist.« Eine wohltönende Frauenstimme mahnte zur Vorsicht. Die dazugehörigen Schritte schlurften über die Holzdielen. Sofort stand Roswithas watschelnder Gang vor Magdalenas innerem Auge. Als sich die Tür mit einem Ruck öffnete, wunderte sie sich nicht, eine ähnlich kleine, gedrungene Frau im Alter der Hebamme vor sich zu sehen.
    »Was ist?« Zunächst wirkte die Frau überrascht. Ihr Blick glitt rasch über Magdalenas Gesicht, ihren Körper und kehrte zu ihrem Gesicht zurück. Da verzogen sich die schmalen Lippen zu einem Lächeln. »Magdalena, endlich! Komm herein!« Einladend wies sie mit der Hand in die Stube und trat einen Schritt zurück, um ihr Platz zu machen.
    Magdalena stutzte: Dass die Frau sofort wusste, wer sie war! Dabei wirkte ihr Verhalten so selbstverständlich, als hätte sie Magdalena bereits seit langem erwartet.
    »Wer ist das?« Das Kind lugte neugierig hinter dem Rock der Fremden hervor.
    Magdalena stockte der Atem: Carlotta! Sie sank auf die Knie. Die aufsteigenden Tränen schnürten ihr die Kehle zu. Mehr als ein ersticktes Aufjaulen brachte sie nicht heraus. Rasch breitete sie die Arme aus und hoffte, die Kleine würde auch so begreifen, wer vor ihr stand.
    »Sag endlich!« Carlotta verharrte auf ihrem sicheren Platz halb hinter dem Rücken der Frau, zupfte diese allerdings energisch am Ärmel und musterte Magdalena neugierig mit ihren blauen, tiefgründigen Augen.
    »Brauchst keine Angst haben!« Behutsam strich ihr die Frau über den rotblonden Lockenschopf. Gleichzeitig griff sie nach Magdalenas Arm und hieß sie, sich zu erheben. »Ich bin Berta. Komm endlich rein.«
    Wenig später fand sich Magdalena auf der Bank am Ofen. Die rußigen Balken drückten schwer von der niedrigen Decke herab, durch zwei schmale Fenster fiel das Nachmittagslicht herein. Trotz aller Düsternis hatte die Stube etwas Heimeliges. Vor Magdalena auf dem langen Holztisch dampfte eine Schale heißer Suppe. Der köstliche Duft nach fetter Brühe und Gemüse erfüllte die Luft. Vorsichtig schloss Magdalena die Finger um die Schale. Die Aufregung hatte ihre Hände eiskalt werden lassen. Bebend wartete sie ab, bis sich die Wärme von den Fingerspitzen her im ganzen Körper ausbreitete.
    Carlotta kletterte unterdessen auf der benachbarten Bank herum und lutschte schmatzend am linken Daumen. Sosehr sie einerseits auf ausreichend Abstand zu ihr achtete, so unverhohlen behielt sie sie andererseits immer im Blick. Berta indessen werkelte noch am Herd herum, bevor sie sich endlich neben ihr auf einem Stuhl niederließ.
    »Eric ist noch in der Stadt.« Sie sagte das, als setzten sie ein eben begonnenes Gespräch innerhalb der Familie fort. Längst schien für sie festzustehen, dass Magdalena ab sofort dazugehörte. »Jeden Tag treibt er sich dort herum und versucht, alte Bekannte ausfindig zu machen. Mehr und mehr Kaufleute kriechen aus ihren Löchern, finden sich in Rothenburg ein, um die alten Geschäfte aufzunehmen. In den letzten zwei Jahren ist vieles zusammengebrochen. Die Schweden haben durch ihren Durchmarsch

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