Die Wundärztin
gleich ungestört erfrischen können. Das mehrstöckige, schmale Eckhaus befand sich in einer ruhigen Straße südlich des Münsters. Dank des Reichtums seines eigentlichen Besitzers wies es außer dem sauberen Brunnen im Hof noch vielerlei weiteren Komfort auf.
Bevor Magdalena die Offizin trat, betrachtete sie prüfend ihr Gesicht im frisch polierten Glas der Eingangstür. Die roten Locken steckte sie fester unter das helle Kopftuch. Ihre schmalen, eng beieinanderliegenden Augen wirkten leicht verquollen, ein Tribut an die lange Nacht mit Eric. Katzenaugen nannte er sie zärtlich, was sowohl die ungewöhnliche Form als auch die hervorragende Sehkraft bestens beschrieb. Das spitze Kinn war leicht gerötet, wie so oft, wenn sie direkt mit Heu in Berührung kam. Das fiel bei den Temperaturen aber gewiss nicht auf. Insgesamt konnte sie zufrieden sein mit ihrem Spiegelbild. Die Linien ihres Gesichts waren ebenmäßig. Zart, wie es war, wirkte es dennoch offen und unterstrich den neugierig der Welt zugewandten Blick. Mochten die Bürgerlichen in den Städten das rote Haar und die grünen Augen mit Argwohn betrachten, in Regiment und Tross erregte sie damit keinerlei Aufsehen. Dort lebten Rothaarige und Blonde, Weißhäutige und Dunkle, Kroaten wie Dänen, selbst Katholische und Protestantische friedlich mit dem ursprünglichen Kern der Pappenheimerschen zusammen. Letztlich kämpften sie alle für denselben Herrn: den Kaiser.
Sie befeuchtete die schmalen Lippen, damit sie richtig glänzten, und schob die Lederschnur des kostbaren Bernsteins unter den Stoff ihres Mieders. Schwungvoll drehte sie sich einmal um die eigene Achse, dass sich der weite Rock aus buntbedrucktem Kattun, den ihr der Vater vor wenigen Tagen geschenkt hatte, lustig aufbauschte. Zweifelsohne handelte es sich um ein Beutestück aus den Truhen des wohlhabenden Kaufmanns, in dessen prächtigem Haus die Eltern untergekommen waren. Stolz streckte sie die Fußspitzen unter dem Saum hervor. Auch ihre kleinen, schmalen Füße konnten sich sehen lassen, steckten sie doch in ebenfalls neuen, rotgefärbten Lederschuhen. In der Kammer der Apothekergattin war sie gestern erst darauf gestoßen. Noch waren sie vorn nicht abgestoßen, sondern lediglich staubig. Rasch polierte sie die Spitzen mit einem Rockzipfel glatt. Gutgelaunt sprang sie die drei Stufen zur Tür nach oben und drückte die Klinke.
Die Glocke tönte hell, als sie den Verkaufsraum betrat. Sogleich umfing sie der erfrischende Duft von Minze. Sie brauchte einen Moment, um sich an das düstere Licht in der Offizin zu gewöhnen. Blinzelnd glitt ihr Blick über den Raum. Büschel frischer Minze hingen zum Trocknen an einer Stange vor einem dunklen Eichenregal. Darauf reihten sich große, mit Pergament verschlossene Tonkrüge sowie bauchige Schraubgläser. Sorgfältig beschriftete Schilder wiesen auf getrocknete Blätter sowohl von heimischen wie auch von exotischen Heilpflanzen aus fernen Gefilden.
Die Tür zum angrenzenden Laboratorium öffnete sich, und der eigentliche Hausbesitzer, ein hagerer Mann mit einer schlohweißen Haarmähne, trat heraus. Müde schlurfte er zum Tresen, der sich wie ein mächtiger Riegel quer durch die gesamte Breite des Raumes spannte.
»Euer Meister ist nicht da. Lediglich Rupprecht ist hinten im Laboratorium und geht mir mit den Salben zur Hand.«
»Wo ist Meister Johann denn hin?« Ohne ihm viel Beachtung zu schenken, wollte sie sich an ihm vorbeidrängen, um zu erkunden, was Rupprecht, der zweite Feldschergehilfe, trieb. Hoffentlich hatte Meister Johann nicht sein Versprechen gebrochen und ihm das Rezept für seine berühmte Wundersalbe verraten.
Der blasse Apotheker versperrte ihr den Weg. »Wo wird er schon sein? Wahrscheinlich beim Würfeln oder Kartenspielen. Euer Vater hat ihn gerufen. Die beiden zechen doch wohl gern miteinander.« Sein Tonfall ließ keinen Zweifel, wie liederlich er dieses Verhalten fand. Kaum merklich schüttelte er den Kopf. »Dabei macht er eigentlich einen ganz soliden Eindruck. Zum ersten Mal hatte ich bei eurem Auftauchen das Gefühl, all meine Schätze hier«, seine Arme kreisten durch die Luft, um das gesamte Inventar der Offizin zu umfassen, »fielen endlich einmal den Richtigen in die Hände. Gestern Nachmittag noch haben wir Schulter an Schulter im Laboratorium die verschiedensten Mixturen ausprobiert. Wir könnten viel voneinander lernen.«
Die Augen hinter den runden Brillengläsern blickten traurig. Abermals schüttelte er das
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