Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
Spätsommers umherfliegt.“
„Ich weiß schon, welche du meinst,“ sagte Kryle. „Was ist mit ihnen?“
„Sie sind das kleinste Insektenvolk,“ sagte Hilflos, „und dazu auch das unschädlichste von allen, weil ihre Raupen sich von nichts als Tannennadeln ernähren.“
„Das weiß ich wohl,“ sagte Kryle.
„Ich habe Angst, daß dieses Schmetterlingsvolk bald vollständig ausgerottet wird,“ fuhr die Natter fort. „Im Frühjahr werden die Raupen von gar so vielen weggeschnappt.“
Nun verstand die Kreuzotter die Absicht der Natter. Diese wollte die Raupen offenbar für sich allein behalten, und so antwortete sie freundlich: „Soll ich den Eulen sagen, sie sollen diese Tannenraupen in Frieden lassen?“
„Ja, es wäre mir lieb, wenn du dieses auswirken könntest; du hast ja hier im Walde etwas zu sagen,“ antwortete Hilflos.
„Vielleicht kann ich auch bei den Drosseln ein gutes Wort für die Nadelfresser einlegen,“ sagte die Kreuzotter. „Ich tue dir gern einen Gefallen, wenn du nichts Unsinniges verlangst.“
„Jetzt hast du mir ein gutes Versprechen gegeben, Kryle,“ sagte Hilflos, „und ich bin sehr froh, daß ich zu dir gekommen bin.“
Die Nonnen
Mehrere Jahre später schlief Karr eines Morgens auf dem Hausflur. Es war im Frühsommer, zur Zeit der kurzen Nächte, und tageshell, obgleich die Sonne noch nicht aufgegangen war. Da erwachte Karr davon, daß ihn jemand beim Namen rief. „Bist du es, Graufell?“ fragte er; denn der Elch kam beinahe jede Nacht, ihn zu begrüßen. Karr erhielt keine Antwort, aber wieder hörte er, daß ihn jemand rief.Diesmal glaubte er Graufells Stimme deutlich zu erkennen, und er lief dem Tone nach.
Karr hörte, daß der Elch vor ihm herlief, konnte ihn aber nicht erreichen. Ohne auf Weg oder Steg zu achten, stürmte der Elch mitten durchs Dickicht hindurch in den dichtesten Nadelwald hinein, und Karr konnte die Spur nur mit großer Mühe verfolgen.
„Karr, Karr!“ ertönte es wieder. Und die Stimme war sicher Graufells, aber mit einem Beiklang, den der Hund noch nie vernommen hatte.
„Ich komme, ich komme! Wo bist du?“ antwortete Karr.
„Karr, Karr! Siehst du nicht, wie es fällt, fällt?“ fragte Graufell.
Da sah Karr, daß von den Fichten unaufhörlich Nadeln herunterrieselten wie ein dichter Regen. „Ja, ich sehe, wie es fällt!“ rief er, lief aber zugleich tiefer in den Wald hinein, den Elch zu finden.
Graufell eilte gestreckten Laufes durchs Gebüsch, und abermals hätte Karr fast die Spur verloren.
„Karr, Karr!“ brüllte Graufell jetzt geradezu. „Merkst du nicht, wie es hier im Walde riecht?“
Karr blieb stehen und witterte. Es war ihm vorher nicht aufgefallen; aber jetzt merkte er, daß die Fichten einen viel stärkeren Duft ausströmten als gewöhnlich.
„Ja, ich rieche es auch,“ sagte er, nahm sich aber gar nicht Zeit, herauszubringen, woher der Geruch komme, sondern eilte nur weiter hinter Graufell drein.
Abermals rannte der Elch in größter Eile davon; der Hund konnte ihn nicht einholen. „Karr, Karr!“ rief er nach einer Weile wieder. „Hörst du nicht, wie es in den Bäumen knackt?“ Und jetzt war Graufells Stimme so betrübt, daß es einen Stein hätte erbarmen können.
Karr hielt an und lauschte. Da hörte er ein schwaches, aber deutliches Knacken in den Bäumen; es klang wie das Ticken einer Uhr.
„Ja, ich höre, wie es knackt!“ rief Karr; und diesmal lief er nicht weiter. Er fühlte, der Elch wollte nicht, daß er ihm folge, er wollte ihn auf etwas aufmerksam machen, das hier im Walde vorging.
Karr stand unter einer Fichte mit üppigen, schwer herabhängenden Zweigen und dicken dunkelgrünen Nadeln. Er betrachtete den Baum genau, und da war es ihm, als ob die Nadeln sich bewegten. Als er dann noch näher hinzutrat, entdeckte er eine Menge weißlichgrauer Raupen, die auf den Zweigen herumkrabbelten und die Nadeln fraßen. Jeder Zweig war bedeckt mit solchen Raupen, die nagten und fraßen; und es knackte in den Bäumen von allen den kleinen unermüdlichen Kiefern. Unaufhörlich fielen abgebissene Nadeln herunter, und der armen Fichte entströmte ein überwältigender Duft, den der Hund fast nicht aushalten konnte.
„Diese Fichte wird nicht viele von ihren Nadeln behalten dürfen,“ dachte Karr und richtete seine Blicke auf den nächsten Baum. Auch dieser war einegroße stattliche Fichte, aber sie sah genau so aus wie die andre. „Was das nur ist?“ dachte Karr weiter. „Es ist schade um die
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