Das Geheimnis des Templers - Episode IV: Gefährliche Versuchung (German Edition)
Kapitel I
1301/1302 Königreich Zypern – Nikosia – Templerfestung Antarados
K ann es etwas Schöneres geben, als bei brütender Hitze mit Mantel und stählernem Topfhelm einen Schwertkampf zu bestehen?“ Fabius von Schorenfels perlte selbst bei völligem Stillstand das Wasser aus dem kurzrasierten, braunen Schopf. Gero von Breydenbach, der neben ihm stand und um einiges größer und athletischer war als der gedrungene Luxemburger, nickte. Unter diesen Bedingungen leuchtete ihm ein, warum der Orden der Templer ihn gleich bei seiner Ankunft als Novize der blonden Mähne beraubt hatte, auf die er als Sohn eines Edelfreien immer so stolz gewesen war.
Ungefähr einhundert Ordensritter, Novizen und Knappen hatten sich am Vormittag im Innenhof der Templerordensburg von Nikosia versammelt, um ein Duell der besonderen Art zu bestaunen. Zwei hünenhafte Ordensritter in vollem Templerornat lieferten sich, mit Helm und Kettenhemd versehen, einen gefährlich aussehenden Zweikampf in qualvoller Mittagshitze. Eine durchaus beabsichtigte Lektion für die anwesenden Novizen, die auf ihre Aufgaben als zukünftige Tempelritter eingestimmt werden sollten. Dass ausnahmsweise sogar Ordensmeister Jacques de Molay anwesend war, gab der Sache ein besonderes Gewicht. Der grauhaarige Mann mit dem silbern schimmernden Bart, dessen hagere, vom vielen Fasten beinahe ausgemergelte Gestalt den meisten jungen Novizen als nicht gerade vorbildlich erschien, inspizierte beiläufig seine nächste Generation von Templerrittern. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder jenen Männern zu, die für die Ausbildung des Nachwuchses verantwortlich waren.
Kommandeur-Leutnant Odo de Saint-Jacques, einer der beiden Kämpfer, war ein harter Knochen, der trotz seiner Kaltschnäuzigkeit den meisten Novizen inzwischen zum Vorbild gereichte, zumindest was seine Kampfkraft betraf. Er hatte sie in den vergangenen Wochen und Monaten mehrmals an ihre körperlichen Grenzen geführt, indem er sie in sengender Hitze mit einem Zentner Ausrüstung pro Mann bis zu zehn Stunden hatte zu Fuß marschieren lassen. In den wenigen Pausen ließ er sie immer wieder gegeneinander im Schwertkampf antreten, wobei die Ergebnisse nicht eben zu seiner Zufriedenheit ausgefallen waren.
„Bis auf wenige Ausnahmen seid ihr alle verweichlichte Muttersöhnchen“, war noch die höflichste Bezeichnung, die er ihnen hatte zukommen lassen. Auch mahnte er gerne, dass die Mameluken nicht selten Gefangene machten, die sie danach in den Kerkern von Ägypten zu sodomitischen Zwecken missbrauchten. „Die Heiden werden sich freuen, wenn sie ihre dreckigen Schwänze in eure Lahmärsche stecken dürfen“, rief er mit sichtbarem Vergnügen, wenn er sie zur Nacht alarmieren ließ und sie nicht schnell genug in ihre Kleider sprangen.
Saint-Jacques’ Gegner, Hugo d’Empures, Sohn eines spanischen Edelmannes und einer englischen Adligen, war trotz seines Gleichmutes, was die Ausbildung der Novizen betraf, nicht eben beliebter bei seinen Zöglingen. Im Gegensatz zu Odo de Saint-Jacques, dessen markiges, vernarbtes Äußeres nicht unbedingt Vertrauen erweckte, war der blonde Hugo trotz seines fortgeschrittenen Alters von Mitte dreißig ein oberflächlicher Schönling, der sich augenscheinlich nur für sich selbst interessierte. Ihm war es anscheinend vollkommen egal, ob die ihm anvertrauten Novizen etwas lernten, das später im Kampf für sie wichtig sein könnte. Außerdem hielt er sich nicht an die Ordensregeln. Er trank zu viel und war kein überzeugter Verfechter des Keuschheitsgelübdes, wie Gero höchstselbst hatte in Erfahrung bringen dürfen. Was vielleicht daran lag, wie Hugo gerne argumentierte, dass er dem Tod einmal zu viel ins Auge geblickt hatte. Beiden Lehrmeistern jedoch schienen der Kampf und die Hitze kaum etwas auszumachen. Nur ab und an, wenn die weißen Umhänge mit dem leuchtend roten Tatzenkreuz auf der Schulter zur Seite wehten, waren ihre Schweißflecke unter den Achseln zu sehen. Die eisernen Helme besaßen nur zwei Guckschlitze, aber man konnte ahnen, wie es darunter kochte. Unaufhörlich rann den kampferfahrenen Rittern das Wasser an den muskulösen Hälsen herab, über die vor Anstrengung hervortretenden Adern, direkt in den Ausschnitt des Kettenhemdes. Wenigstens auf die Kettenhauben, die ein Templer im Kampf normalerweise noch unter dem Helm trug, hatten sie verzichtet. Während sie sich einen barbarischen Schlagabtausch mit echten Langschwertern lieferten, verfolgten
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