Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
See stieg, desto höher hob sich auch der Storå, und schließlich fand er am südlichen Rand eine Stelle, wo er hinausfließen konnte.
Nachdem der Fluß wohlbehalten aus dieser Klemme hinausgekommen war, hörte er eines Tages zu seiner Linken ein lautes Brausen und Rauschen. So ein lautes Brausen hatte er im Walde noch nie vernommen, und er fragte schnell, was denn das sei.
Und natürlich hatte der Wald auch sogleich eine Antwort bereit. „Das ist der Fjätälf,“ sagte er. „Hörst du, wie er rauscht und braust? Er ist auf dem Weg nach dem Meere.“
„Wenn du so weit reichst, daß der Fluß dich hören kann,“ rief der Storå, „dann grüß ihn von mir und sage dem Schwächling, der Storå vom Vånsee biete sich an, ihn mit nach dem Meere zu nehmen; doch nur unter derBedingung, daß er meinen Namen annehme und gehorsam mit mir weiter fließe.“
„O, der Fjätälf gibt seine Selbständigkeit nicht auf, das glaube ich nun und nimmer!“ sagte der Wald.
Aber am nächsten Tag mußte er dem Storå gestehen, daß auch der Fjätälf es müde geworden sei, sich seinen eigenen Weg zu bahnen, und sich gerne mit dem Storå vereinigen wolle.
Und der Storå zog immer weiter durchs Land. Er war indes noch gar nicht so groß, wie man eigentlich hätte erwarten können, da er jetzt doch so viele Helfer bei sich hatte. Aber stolz war er! Sein Lauf bestand fast aus lauter Wasserfällen, und mit lautem Rauschen rief er alles, was im Walde plätscherte und rieselte, ja selbst das kleinste Frühlingsbächlein, zu sich heran.
Eines Tages hörte er weit, weit im Westen einen Fluß rauschen, und als er den Wald fragte, was das sei, antwortete dieser, das sei der Fuluälf, der das Wasser von den Fulufelsen aufnehme und sich schon ein sehr langes und breites Bett gegraben habe.
Kaum hatte der Storå das vernommen, als er dem Wald auch schon den gewohnten Gruß auftrug; der Wald übernahm auch den Auftrag, und am nächsten Tag brachte er dann Botschaft vom Fuluälf. „Sage dem Storå,“ hatte der Fluß geantwortet, „ich wolle durchaus keine Hilfe. Ein solcher Gruß hätte außerdem besser mir angestanden als dem Storå, denn ich bin der mächtigere von uns beiden und komme sicher früher zum Meere als er.“
Kaum hatte der Storå diese Botschaft gehört, als er auch schon seine Antwort bereit hatte. „Sage dem Fuluälf sofort,“ rief er dem Walde zu, „ich fordere ihn zum Wettstreit heraus. Wenn er meint, er sei stärker als ich, soll er es beweisen und mit mir um die Wette laufen. Wer zuerst am Meere anlangt, hat gewonnen!“
Als der Fuluälf diese Botschaft hörte, erwiderte er: „Ich habe nichts gegen den Storå, und es wäre mir lieber gewesen, wenn ich meinen Weg in Ruhe und Frieden hätte fortsetzen dürfen. Aber die Fulufelsen schicken mir gewiß soviel Beistand, daß es feig von mir wäre, wenn ich die Herausforderung nicht annähme.“
Hierauf begannen die beiden Ströme das Wettrennen. Mit noch größerer Eile als vorher rauschten sie dahin und ließen sich Sommer und Winter keine Ruhe.
Aber es hatte allen Anschein, als ob der Storå sehr bald Grund hätte, seine verwegene Herausforderung zu bereuen, denn er stieß auf ein Hindernis, das ihm beinahe unüberwindlich wurde. Dieses Hindernis war ein Berg, der mitten auf seinem Wege lag, und durch den nur eine ganz enge Felsenspalte führte. Der Storå machte sich so schmal wie möglich und drängte sich unter wildem Schäumen hinein; aber er mußte viele Jahre lang waschen und aushöhlen, bis er die Spalte zu einer annähernd genügend breiten Rinne ausgeweitet hatte.
Während dieser Zeit fragte der Storå den Wald mindestens alle sechs Monate einmal, wie es dem Fuluälf gehe.
„Dem Fuluälf geht es so gut, wie er es sich nur wünschen kann,“ antwortete der Wald. „Er hat sich mit dem Görälf vereinigt, der das Wasser von dem norwegischen Gebirge aufnimmt.“
Und ein andres Mal, als der Storå den Wald wieder gefragt hatte, antwortete dieser:
„Um den brauchst du dir keine Sorge zu machen, er hat eben den ganzen Horrmundsee mitgenommen.“
Aber den Horrmundsee hatte der Storå selbst mitzunehmen die Absicht gehabt, und als er nun von dessen Übergang in den Fuluälf hörte, wurde er so wütend, daß er sich endlich durch seinen Engpaß hindurchzwängte und so wildschäumend davonstürzte, daß er mehr Erde und Wald mit sich fortriß, als eigentlich notwendig gewesen wäre. Es war gerade im Frühling, und der Fluß überschwemmte die ganze Gegend
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