Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
wenigstens einen Versuch machen, bis zum Meere durchzudringen, und so machte er sich denn auf den Weg.
Wie man sich denken kann, war es ein schweres Stück Arbeit für den Fluß, sich einen Weg durch die Wildnis hindurchzubahnen. Wenn ihm nichts andres im Wege stand, war immer noch der Wald da. Um freien Lauf zu bekommen, mußte er eine Kiefer um die andre entwurzeln. Im Frühjahr, wenn der erste Zulauf kam und sich sein Bett mit Schneewasser aus den Wäldern füllte, und wenn später die Schneeschmelze auf den Bergen begann, so daß die Gebirgswasser von den Felsen herabstürzten, da war der Fluß am stärksten und reißendsten. Da nahm er alle seine Kraft zusammen, rauschte mächtig daher, fegte Stämme und Erde hinweg und grub sich einen Weg durch die Sandhügel hindurch. Aber auch im Spätjahr, wenn er nach den Herbstregen gestiegen war, vollbrachte er ein tüchtiges Stück Arbeit.
Eines schönen Tages, als der Storå sich wie gewöhnlich seinen Weg eifrig weiterbahnte, hörte er rechts von sich tief im Walde ein Rauschen und Plätschern. Er lauschte so eifrig, daß er fast ganz still hielt. „Was mag das nur sein?“ fragte er.
Der Wald, der ringsumher aufragte, konnte es nicht lassen, sich über den Fluß ein wenig lustig zu machen.
„Du meinst wohl, du seiest ganz allein auf der Welt?“ sagte er. „Aber ich will dir nur sagen: was du da hörst, ist der Grövel aus dem Grövelsee. Jetzt eben hat er sich durch ein schönes Tal hindurchgegraben, und er erreicht das Meer gewiß ebenso schnell wie du.“
Aber der Storå hatte seinen eigenen Kopf, und als er dies hörte, sagte er, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern: „Der Grövel ist gewiß ein armer Schlucker, der nicht allein vorwärts kommt. Sag ihm deshalb, der Storå vom Vånsee sei auf dem Weg zum Meere, der wolle sich seiner annehmen, und wenn er sich ihm anschließen wolle, ihm weiterhelfen.“
„Du bist ein rechter Prahlhans,“ sagte der Wald. „Ja, ich will ihm deinen Gruß bestellen, aber der Grövel wird keine Freude daran haben.“
Am nächsten Morgen jedoch stand der Wald vor dem Storå und sagte, er solle von dem Grövel einen Gruß bestellen. Dieser habe sich so mühselig durchkämpfen müssen und sei deshalb um jede Hilfe froh, er werde sich daher so rasch er könne, mit dem Storå vereinigen.
Nachdem dies geschehen war, arbeitete sich der Storå natürlich nur noch schneller weiter, und nach kurzer Zeit erblickte er einen schönen schmalen See,in dessen klarem Wasser sich der Idreberg und die Städjanfelsen widerspiegelten.
„Was ist denn das?“ fragte der Fluß, der vor lauter Verwunderung wieder beinahe stillstand. „Ich kann doch nicht so verrückt gewesen und wieder zum Vånsee zurückgekehrt sein?“
Aber der Wald, der zu jener Zeit überall zur Hand war, sagte sogleich: „O nein, du bist nicht zum Vånsee zurückgekommen, dies ist der Idresee, den der Sörälf mit seinem Wasser gefüllt hat. Das ist ein tüchtiger Fluß. Jetzt hat er den See ganz gefüllt und sucht sich einen Ausfluß zu verschaffen.“
Als der Storå das hörte, sagte er rasch zu dem Walde: „Du, der überall hinreicht, könntest dem Sörälf einen Gruß von mir ausrichten und ihm sagen, der Storå vom Vånsee sei da, und wenn er mich durch den See hindurchziehen lasse, wolle ich ihn dafür mit nach dem Meere nehmen. Er brauche sich dann gar nicht mehr um sein Fortkommen zu bekümmern, dafür würde ich sorgen.“
„Nun, ich kann ihm deinen Vorschlag wohl ausrichten,“ sagte der Wald, „aber der Sörälf wird wohl nicht auf deinen Vorschlag eingehen, denn er ist ebenso mächtig wie du.“
Am nächsten Tag jedoch richtete der Wald aus, der Sörälf sei es auch müde, sich allein einen Weg zu bahnen, und er wolle sich gern mit dem Storå vereinigen.
Der Fluß zog also mitten durch den See hindurch und arbeitete sich immer weiter durch den Wald und das Gebirge. Eine Weile kam er ordentlich vorwärts; aber dann geriet er in eine Felsenschlucht hinein, die von allen Seiten verschlossen war. Da gab es keinen Ausweg für ihn. Er brauste und schäumte vor Zorn, und als der Wald hörte, wie rasend er war, sagte er: „Jetzt ist es doch aus mit dir!“
„Aus mit mir!“ rief der Fluß. „O nein, aber ich habe hier etwas ganz Besonderes vor. Ich will nur sehen, ob ich nicht ebensogut wie der Sörälf einen See machen kann.“
So fing er an, den Särnasee zu schaffen, und dazu brauchte er einen ganzen Sommer hindurch. Je höher das Wasser in dem
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