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Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Titel: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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richtiger Mensch auf der Schwelle gestanden, als Åsa die Tür aufmachte, dann hätte sie gleich gemerkt, daß sie nicht mehr träumte; aber dies war nicht der Fall; der, welcher da draußen stand und geklopft hatte, war gar kein Mensch, es war ein kleiner Knirps, kaum eine Spanne lang. Obgleich so spät in der Nacht, war es doch ebenso hell wie bei Tage, und Åsa erkannte sofort dasselbe Kerlchen, mit dem sie und Klein-Mats auf ihrer Wanderung durch das Land schon ein paarmalzusammengetroffen waren. Damals hatte sie sich vor ihm gefürchtet, und so wäre es ihr auch jetzt gegangen, wenn sie ganz hell wach gewesen wäre. Aber sie hatte das Gefühl, als träume sie noch immer, und deshalb blieb sie ganz ruhig stehen und dachte: „Ich habe nichts anderes erwartet, als daß Klein-Mats diesen meinte, als er sagte, er wolle mir jemand schicken, der mir behilflich sein könne, Vater ausfindig zu machen.“ Und darin hatte sie nicht ganz unrecht, denn der kleine Bursche kam aus keinem anderen Grunde, als wegen ihres Vaters mit ihr zu sprechen. Als er sah, daß sie sich nicht vor ihm fürchtete, teilte er ihr mit wenigen Worten mit, wo ihr Vater sei, und was sie tun müsse, um zu ihm zu gelangen.
    Aber während der Knirps sprach, kehrte Åsa allmählich das volle Bewußtsein zurück, und als er ausgesprochen hatte, war sie vollständig wach. Und da entsetzte sie sich über die Maßen, – denn hier stand sie ja und sprach mit einem, der nicht ihrer Welt angehörte! Sie brachte kein Wort über die Lippen, ja nicht einmal einen einfachen Dank, sondern wich rasch ins Zimmer zurück und schlug die Tür heftig hinter sich zu. Sie glaubte allerdings noch zu sehen, daß das Gesicht des Kleinen einen sehr betrübten Ausdruck annahm, als sie das tat, aber sie konnte nicht anders. Ganz außer sich vor Entsetzen, kroch sie nun eiligst in ihr Bett und zog die Decke über den Kopf.
    Und doch, trotzdem sie so große Angst vor dem kleinen Knirps hatte, fühlte sie, daß er es gut mit ihr meinte, und am nächsten Tag verlor sie keine Zeit, das zu tun, was er ihr geraten hatte.

    Auf dem linken Ufer vom Luossajaure, einem kleinen See, der noch viele Meilen nördlicher liegt als Malmberget, war ein kleines Lappenlager. Am südlichen Ende des Sees ragte ein gewaltiger Berg auf, der Kirunavara heißt und der der Sage nach aus lauter Eisenerz bestehen soll. Auf der nordöstlichen Seite lag wieder ein Berg, der Luossavara heißt, und auch das ist ein an Eisenerz reicher Berg. Zu diesen Bergen hinauf wurde eben die Eisenbahn von Gellivare aus weitergeführt, und in der Nähe von Kirunavara baute maneifrig einen Bahnhof, ein Gasthaus und eine Menge Wohnhäuser für die Arbeiter und Ingenieure, die hier wohnen sollten, wenn die Ausbeutung des Erzes einmal ordentlich in Gang gekommen wäre. Es war ein ganzes Städtchen von hübschen, behaglichen Häusern, das da so hoch droben in diesem nördlich gelegenen Bezirk entstand, wo die kleinen verkrüppelten Birken, die hier überall wuchsen, ihre Blätter erst nach dem Johannisfest entfalten können. Westlich von dem See lag das Land frei und offen da, und dort hatten, wie schon gesagt, ein paar Lappenfamilien ihr Lager aufgeschlagen. Vor ungefähr einem Monat waren sie dahin gekommen und hatten dann nicht viel Zeit gebraucht, ihre Wohnung in Ordnung zu bringen. Zur Herstellung eines guten und ebenen Bauplatzes hatten sie weder Felsen sprengen noch Grundmauern errichten müssen; nachdem sie sich erst einen guten trockenen Platz in der Nähe des Sees ausgewählt hatten, brauchten sie nichts weiter zu tun, als etwas Weidengebüsch wegzuhauen und ein paar Erdhügel zu ebnen, und damit war der Bauplatz hergestellt.
    Und dann machten sie sich durchaus keine Sorgen über alles, was zum Bau eines Hauses nötig ist. Sie hatten nicht viele Tage lang gehauen und gehämmert und gezimmert, bis die Holzwände gesichert dastanden; ebensowenig hatten sie sich Mühe mit dem Aufrichten des Daches gegeben und sich auch nicht den Kopf zerbrochen, wie das Haus innen mit Brettern getäfelt, Fenster und Türen eingesetzt und Schlösser und Riegel angebracht würden. Sie brauchten nichts weiter, als ihre Zeltstangen fest in den Boden hineinzuschlagen und die Zeltdecke darüber zu hängen, und dann war die Wohnung schon so gut wie fertig. Auch das Einziehen und Einrichten machte ihnen recht herzlich wenig Mühe. Das Wichtigste war, einige Fichtenzweige und ein paar Felle auf dem Boden auszubreiten und an eine eiserne Kette, die

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