Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Titel: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
Vom Netzwerk:
hinauf ins Gebirge. Die Herde sehnte sich nach den guten Bergweiden und legte jeden Tag ein großes Stück Weges zurück. Es blieb den beiden keine Zeit, ein Zelt aufzuschlagen; nur in den Stunden, wo die Renntiere anhielten, um zu weiden, konnten sie sich auf den Schnee werfen und ein wenig schlafen. Die Tiere fühlten den Südwind durch ihre Pelze wehen, und sie fühlten auch, daß er in wenigen Tagen den Schnee von den Berghängen wegfegen würde. Das Mädchen und der Junge mußten ihnen durch schmelzenden Schnee und brechendes Eis hindurch nacheilen. Als sie endlich hoch ins Gebirge hinaufgekommen waren, wo der Nadelwald aufhörte und die verkrüppelten Birken anfingen, ruhten sie sich einige Wochen aus, bis der Schnee von den obersten Berghalden geschmolzen war; dann zogen sie da hinauf. Das Mädchen jammerte und keuchte und sagte sehr oft, sie sei müde, sie wolle umkehren und wieder ins Tal hinunter; aber sie ging doch noch lieber mit, als daß sie allein, ohne eine lebende Seele, mit der sie ein Wort hätte sprechen können, zurückgeblieben wäre.
    Als sie endlich die Hochebene erreicht hatten, schlug der Junge auf einem schönen grünen Platz, der gegen einen Gebirgsbach sanft abfiel, ein Zelt für das Mädchen auf. Als es Abend wurde, fing der Junge die Renntierkühe mit einer Wurfleine ein, melkte sie und gab dem Mädchen von der Milch zu trinken. Er fand auch etwas Renntierkäse und getrocknetes Renntierfleisch, das sein Volk im vorigen Jahre da oben auf der Höhe versteckt hatte. Aber das Mädchen jammerte immerfort und war durchaus nicht zufrieden. Sie wollte weder getrocknetes Renntierfleisch essen, noch Renntiermilch trinken. Sie konnte sich nicht daran gewöhnen, im Zelt auf dem Boden oder nur auf einem von wenigen Zweigen und einem Renntierfell hergerichteten Lager zu schlafen. Aber der Sohn des Gebirgsvolkes lachte nur über ihr Gejammer und war immer gut und freundlich gegen sie.
    Nachdem so einige Tage vergangen waren, trat das Mädchen zu dem Jungen, als er eben die Renntiere melkte, und fragte, ob sie ihm helfen dürfe. Sie übernahm es jetzt auch, Feuer unter dem Kessel anzuzünden, wenn Renntierfleisch gekocht werden sollte, sowie Wasser zu holen und Käse zu bereiten. Nun hatten die beiden eine schöne Zeit miteinander. Das Wetter war warm und das Essen leicht zu beschaffen. Sie zogen miteinander aus, Vogelschlingen zu legen, Forellen in den Bächen zu fangen und Multebeeren auf den Mooren zu pflücken.
    Als der Sommer zu Ende ging, zogen sie bis zu der Grenze zwischen dem Nadel- und dem Laubholzwald vom Gebirge herunter, und da schlugen sie wieder ihr Lager auf. Es war jetzt Schlachtzeit, und sie mußten alle Tage sehr streng arbeiten; aber es war auch eine gute Zeit, denn jetzt konnten siesich noch leichter Nahrung verschaffen als im Sommer. Als der Schnee vom Himmel herabwirbelte und sich die Seen allmählich mit Eis bedeckten, zogen die Kinder ostwärts in den dichten Fichtenwald hinein. Sobald sie da ihr Zelt errichtet hatten, machten sie sich an die Winterarbeiten. Der Junge lehrte das Mädchen Faden aus Renntiersehnen drehen, die Felle bereiten und Kleider und Schuhe daraus nähen, sowie Kämme und Werkzeuge aus Renntierhörnern verfertigen, auf Schneeschuhen laufen und in Renntierschlitten fahren. Nachdem sie den dunkeln Winterwald hinter sich hatten und die Sonne allmählich wieder warm schien, sagte der Junge zu dem Mädchen, jetzt wolle er sie in den Süden des Landes begleiten, damit sie die Leute ihres eigenen Stammes wiederfinde.
    Doch da sah ihn das Mädchen verwundert an. ‚Warum willst du mich fortschicken?‘ fragte sie. ‚Sehnst du dich, wieder allein mit deinen Renntieren zu sein?‘
    ‚Ich glaubte, du sehntest dich fort von hier,‘ erwiderte der Junge.
    ‚Jetzt habe ich fast ein ganzes Jahr lang das Leben des Lappenvolkes gelebt,‘ sagte das Mädchen, ‚nun kann ich nicht mehr zu meinem Volk zurückkehren. Nachdem ich so frei auf den Bergen und in den Wäldern umhergezogen bin, ist es mir nicht mehr möglich, in engen Häusern zu wohnen. Jage mich nicht fort, sondern laß mich hier bleiben, denn euer Leben ist besser als das unsrige.‘
    Und das Mädchen blieb ihr ganzes Leben lang bei dem Jungen und hatte niemals Heimweh nach ihrem Volke und nach dem Leben in den Tälern. Und wenn du, Åsa, nur einen Monat hier oben bliebest, würdest du dich auch nicht wieder von uns trennen können.“
    Mit diesen Worten schloß Aslak seine Erzählung, und in demselben

Weitere Kostenlose Bücher